Wilde Wellen
Hoffnungslosigkeit in seinem Blick, als würde er wissen, dass es keine Chance für ihn gab, jemals zu beweisen, dass er unschuldig war.
Der Nordwind wuchs sich zu einem Sturm aus, der an den Fensterläden des kleinen Hauses rüttelte. Wieso konnte sie nicht einfach nur hierbleiben? In der Stille des Hauses, geschützt vor dem Wetter. Und vor allen anderen Unbilden, die ihr Leben gerade so durcheinanderwarfen wie das Schiff, das damals auf dem Meer zerbrochen war? Einfach so tun, als gäbe es nur sie und Paul und den weiÃen Hund. Keine Enttäuschungen, keine Ãngste. Aber das war nicht sie. Sie wollte nicht weglaufen. Selbst wenn sie es gekonnt hätte â sie würde es nicht tun. So wie sie zurückgekommen war, um sich der Vergangenheit, die Michel ihr hatte vorenthalten wollen, zu stellen, so würde sie sich jetzt nicht davor drücken, sich an Michels Seite zu stellen.
Paul sah erstaunt, wie klar und entschlossen Maries Blick wieder war, als sie ihm sagte, dass sie ihrem Vater helfen müsste.
»Mein Vater ist kein Mörder. Ich muss es beweisen.«
Der Schäfer kam Paul in den Sinn. Er hatte zwar gesagt, dass er an jenem Abend weit vom Unfallort entfernt gewesen war, aber konnte es nicht sein, dass er Michels Auto irgendwo gesehen hatte?
»Ich muss mit dem Schäfer reden.« Es war, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Sobald der Sturm sich gelegt hat, suche ich ihn.«
Michel starrte auf den Boden der Zelle, in der sie ihn untergebracht hatten. Das Auto. Wie kam die Scherbe von dem zerbrochenen Scheinwerfer an den Unfallort? Irgendjemand musste sie dorthin gebracht haben. Irgendjemand, der ihn aus dem Weg haben wollte. Aber wer war das? Leon. Natürlich war Leon der Erste, der ihm einfiel. Aber war er zu so etwas fähig? Sie waren Freunde. Trotz allem, was zwischen ihnen stand, waren sie immer noch Freunde. Aneinandergekettet durch das Wissen um die Geschehnisse auf der Helena . Er konnte sich nicht vorstellen, dass Leon zu so einem perfiden Mittel gegriffen haben konnte. AuÃerdem â musste er nicht fürchten, dass Michel, wenn er im Gefängnis saà und jede Hoffnung verloren hatte, auch endlich über den Untergang der Helena reden würde? Wenn man ihn wegen Célines Tod verurteilte, hätte er nichts mehr zu verlieren. Wieso sollte er dann nicht auch gestehen, was in jener Nacht wirklich geschehen war? So dumm war Leon nicht. Er konnte es nicht gewesen sein. Wer aber war es dann? Michel war sich sicher, dass kein Mensch wusste, dass er Moniques Auto immer noch besaÃ. Nicht dass er absichtlich daraus ein Geheimnis gemacht hatte. Jahrelang hatte er selbst nicht an das Auto gedacht. Als Monique damals weggegangen war, hatte er es einfach nur aus den Augen haben wollen. Und deshalb den kleinen Schuppen gekauft, den er zur Garage umfunktioniert hatte. Er hatte niemandem davon erzählt, einfach weil es keinen Menschen etwas anging. Natürlich, der Schlüssel lag in einer Schublade im Restaurant. Jeder, der sich für kurze Zeit dort unbeobachtet aufhielt, hätte ihn nehmen können. Aber dazu müsste er von dem Auto gewusst haben. Und â das war das Wesentliche â er müsste den Wunsch gehabt haben, ihm zu schaden. Hatte es überhaupt einen Zweck, weiter darüber nachzugrübeln? Vielleicht war das die gerechte Strafe, die er nie bekommen hatte? War es nicht egal, weswegen man ihn einsperrte? Er hatte Unrecht getan, als er zu Leons Mitwisser geworden war. Er hatte einen Meineid für seinen Freund geschworen. Grund genug, bestraft zu werden. Vielleicht schlug das Schicksal nun zu. Vielleicht sollte er die Strafe, die ihn nun erwartete, einfach demütig annehmen. Reichte es nicht, wenn er wusste, dass er sie verdient hatte? Er legte sich auf das schmale harte Bett und schloss die Augen. Maries Blick, als sie das Auto entdeckte, tauchte in seiner Erinnerung auf. Diese furchtbare Enttäuschung. Er konnte es ihr nicht verübeln, dass sie dachte, er müsste etwas mit Célines Tod zu tun haben. Er hatte sie angelogen. Er hatte sie verletzt. Wieso sollte sie ihm nicht auch zutrauen, einen Menschen getötet und sich feige aus dem Staub gemacht zu haben? Er konnte die Tränen nicht zurückhalten, als er an Marie dachte. Es war gekommen, wie er es immer vermutet hatte. Er hatte es nicht verdient, glücklich zu sein. Und dieser schmale Hoffnungsschimmer, der am Horizont aufgetaucht war,
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