Wilde Wellen
genannt?«
Bernard Tessier schüttelte den Kopf. Normalerweise versuchte er, anonyme Hinweise zu ignorieren. Er hasste diese Art von Denunziantentum. Und wollte niemanden dazu ermutigen, indem er jedem solchen Hinweis nachging. Aber in diesem Fall? Er hatte keine Wahl, als der Anrufer sagte, dass man das Unfallauto in Michels Garage finden würde.
»Sie trauen doch meinem Vater nicht wirklich zu, dass er Céline getötet hat? Sie kennen ihn doch. Sie gehen in sein Lokal zum Essen. Sie â¦Â«
»Bis wir das Auto untersucht haben, bleibt er in U-Haft. Tut mir leid.«
»Aber wieso? Es besteht keine Fluchtgefahr. Ich verbürge mich für ihn. Und ich bin Polizistin.«
Bernard konnte Marie verstehen. Sie war es gewesen, die den Hinweis auf das Unfallauto gefunden hatte. Sie war es gewesen, die darauf gedrungen hatte, dass die Untersuchungen nicht eingestellt wurden. Und nun hatten ihre Bemühungen zu einem möglichen Täter geführt. Zu ihrem Vater.
»Was würden Sie tun, wenn Sie an meiner Stelle wären? Die Indizien sprechen eindeutig gegen Ihren Vater.«
Bernard versiegelte die Garage und nickte Marie zu. Stieg zu Michel und Madeleine ins Auto. Sie fuhren davon. Die Leute wichen zurück. Einige von ihnen waren fassungslos. Sie konnten nicht glauben, dass Michel der Täter sein sollte. Aber andere argumentierten wie der Kommissar. Man kann nun mal in die Menschen nicht hineinsehen, sagten sie. Und dass stille Wasser tief sein könnten. Und plötzlich glomm ein kleiner Funke auf. Marie schnappte das Wort »Geliebte« auf. Wie durch einen Wind entfacht, glomm der Funke auf zu einem Feuer. »Céline« war jetzt zu hören. Und »Sie und Michel haben sich immer gut verstanden. Sie waren beide allein. Wäre doch nicht ungewöhnlich, wenn sie sich gefunden hätten. Vielleicht hat sie ihn abgewiesen. Michel ist ein zorniger Mann.« Schon loderte die Flamme des Gerüchts lichterloh. Und die Menge konnte sich plötzlich sehr gut vorstellen, dass ein in der Seele verletzter Mann, wenn er auch noch so stolz war â wie Michel â, durchaus dazu fähig sein konnte, einen Menschen zu töten.
»Seid ihr alle verrückt geworden? Er ist einer von euch. Ihr kennt ihn. Ihr esst sein Essen. Ihr bewundert seine Kochkunst.« Maries Wutausbruch lieà die anderen verstummen. Einen Moment lang herrschte verlegene Ruhe. Dann gingen die Menschen auseinander. Ihr Tagwerk wartete auf sie. Michel Dumont aber wurde in einem Streifenwagen nach Brest gefahren, wo er dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden sollte.
7
Marie hatte ganz vergessen, dass Thomas in Michels Haus auf sie wartete. Sie schämte sich dafür, dass sie die Verhaftung ihres Vaters als Vorwand nahm, nicht mit ihm reden zu können. Sie musste einen Anwalt suchen. Das war im Moment das Wichtigste.
Violette, die sofort gekommen war, als sie gehört hatte, was geschehen war, saà vollkommen verstört am Küchentisch.
»Wie können die so was auch nur denken? Michel ist kein Mörder. Er ist der beste Mensch, den ich kenne.«
Die Kellnerin, die seit mehr als zehn Jahren für Michel arbeitete, wischte sich die Tränen aus dem sommersprossigen Gesicht.
»Hast du von dem Auto gewusst?«
»Nein. Ich hab nicht mal gewusst, dass Michel diese Garage in der Rue Saint Jacques hat. Er ist immer nur mit dem Pickup gefahren. Und vor dem hatte er einen Volvo Kombi und davor irgend so ein italienisches Auto â¦Â«
»Das heiÃt, du hast auch keine Ahnung, wo er den Schlüssel zur Garage und dem Auto aufbewahrt hat?«
»Soll das heiÃen, du verdächtigst jetzt mich? Dass ich das Auto gefahren habe?«
Violettes grüne Augen wurde fast farblos angesichts dieses Verdachts.
»Natürlich nicht. Aber, wenn er die Schlüssel irgendwo aufbewahrt hätte, wo sie frei zugänglich wären, na ja, dann könnte es ja auch ein anderer gewesen sein.«
Es war eine vage Hoffnung, die Marie durch den Kopf schoss. Aber selbst wenn sich der Untersuchungsrichter auf die Möglichkeit einlieÃ, dass auch jemand anders Zugang zu dem Schlüssel gehabt haben konnte, dann bliebe immer noch die Frage, wer das gewesen sein konnte.
»Michel ist verhaftet worden. Er steht im Verdacht, Céline getötet zu haben.«
Leon lieà die Hände sinken. Die Krawattenenden, die er gerade zu einem Knoten verbinden wollte, fielen auf seine
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