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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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mitging. Ob er Lust auf Pizza hatte, war Nebensache.
    Paul fühlte Saras entschlossenen Griff, mit dem sie ihn hinter sich herzog, er sah ihren dicken blonden Zopf auf ihrem Rücken hin- und herschwingen, als sie mit weiten Schritten ihren Freunden folgte, auf die kleine Pizzeria an der Ecke zu. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Denn wenn er ehrlich war – es war nicht die Sehnsucht nach Sara, die ihn noch in der Nacht aufs Motorrad getrieben und nach Paris gebracht hatte. Er blieb stehen.
    Â»Ich kann nicht mit zum Pizzaessen, Süße. Ich hab ein paar Termine in der Uni. Tut mir leid.«
    Sara verzog den Mund.
    Â»Also bist du nicht meinetwegen gekommen.« Bevor Paul zu einer ungeschickten Erklärung anheben konnte, lachte sie laut auf.
    Â»Weißt du was? Das ist mir egal. Hauptsache, du bist da. Geh zu deinem Termin, und nachher erwarte ich dich in meiner Wohnung.« Sie küsste ihn mit einem Knall auf den Mund.
    Â»Ich freu mich auf dich, Liebster. Ich weiß schon, wie wir das bisschen Zeit optimal ausnutzen werden.« Sie griff ihm unverblümt an den Hintern, küsste ihn nochmals und rannte mit großen Schritten ihren Freunden hinterher.
    Â»Bring Champagner mit. Ich besorge die Chips.« Sie machte ein Victory-Zeichen und warf ihm einen Handkuss zu, bevor sie in der Gruppe ihrer Freunde untertauchte.
    Wieso war nicht das ganze Leben so unkompliziert? Wie so oft beneidete Paul Sara um ihre ausgelassene Lebendigkeit. Sie war so optimistisch. So unbekümmert. Für sie war das Leben nichts als ein großer Spaß, den es einfach zu genießen galt.
    Einen Moment lang hatte sich Paul tatsächlich vormachen können, dass es die Sehnsucht nach Sara gewesen war, die ihn zu seinem Entschluss, nach Paris zu fahren, gebracht hatte. Aber als er sich kurz darauf vor der Polizeistation wiederfand, zu der Marie gehörte, wusste er, dass es nicht stimmte. Er zögerte nur kurz, dann betrat er das Gebäude. Um sich eine Minute später im Büro von Gerard Manzel wiederzufinden. Wenn einer wusste, wo er Marie würde finden können, dann er.
    Marie legte einen kleinen Strauß blauer Vergissmeinnicht auf das Grab ihres Freundes und Kollegen Jean. Sie hatten ihn auf dem größten Friedhof von Paris im Familiengrab der Marais’ beigesetzt. Hier, zwischen den Gräbern vieler Berühmtheiten und noch viel mehr ganz normaler Leute, hatte Jean seine letzte Ruhe gefunden. Mitten in Paris, wo er gelebt hatte, wo er mit Freude und Pflichtgefühl seiner Arbeit als Polizist nachgegangen war. Das Herz war ihr schwer, als sie durch die stillen Reihen der Grabstätten ging, auf denen sich die Pariser Katzen sonnten. Wie oft waren sie in ihrem Streifenwagen an dem Friedhof vorbeigefahren. Wie oft hatte Marie davon geredet, dass sie hier auch einmal liegen wollte.
    Â»Auf dem Père Lachaise ist es nie langweilig«, hatte sie gelacht. Fast jeden Tag gab es in irgendeiner Ecke eine Promibeerdigung. Schauspieler trugen Kollegen zur Grabe, Politiker verabschiedeten sich von Freunden oder Gegnern. Touristen schlenderten durch die engen Grabreihen auf der Suche nach dem Grab von Victor Hugo oder Charles de Gaulle, fotografierten die Grabsteine berühmter Verstorbener und die scheinbar unsterblichen Katzen. Bestimmt würden sie einmal auch einen Blick auf das Grab der unbedeutenden Polizistin Marie Lamare werfen. Und sich vielleicht überlegen, ob sie ein glückliches Leben gehabt hatte.
    Hatte Jean ein glückliches Leben gehabt? Marie dachte an sein spöttisches Grinsen, das er oft gezeigt hatte, wenn sie ihm mal wieder vorgeschwärmt hatte, dass Paris für sie die schönste Stadt der Welt sei. Er hatte sie nicht ausgelacht, das wusste sie. Eher hatte er ihren Enthusiasmus belächelt. Die kindliche Freude, am Leben zu sein. Wenn sie nur nicht zugelassen hätte, dass er sie zum Flughafen bringen wollte an diesem Tag. Dann wären sie dem roten Citroën des Junkies nicht mehr begegnet, dann hätten sie ihn nicht verfolgt. Jean wäre zu seinen Eltern gefahren, hätte sich um sie gekümmert, und am nächsten Tag hätte er wieder seinen Dienst angetreten. Wieso hatte sie nur nicht den Bus genommen, wie sie es vorgehabt hatte?
    Â»Ach, Jean.« Sie kniete sich auf den steinernen Rand der Grabstelle, strich über die kühle Grabplatte, in die Jeans Name eingemeißelt war.
    Â»Ich weiß doch gar nicht, wie ich ohne dich Streife

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