Wilde Wellen
macht sich wirklich gut. Zeigt Interesse an allem, stellt die richtigen Fragen. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen.«
Sie lachte leise auf. Hatte sie eine andere Antwort erwartet? Leon würde es ihr nicht sagen, wenn Caspar sich nicht gut anstellte. Er hasste diese Diskussionen über die berufliche Zukunft seines Sohns, das wusste sie. Wie alle Männer dachte er nicht daran, dass er einmal nicht mehr sein würde. Im Grunde hielt er sich für unsterblich. Und sah deswegen nicht den geringsten Grund dafür, sich um seine Nachfolge Gedanken zu machen. In seinen Augen hatte das alles noch Zeit. Er war fit und gesund, er würde noch lange arbeiten können. Und Caspar sollte einfach seine eigenen Erfahrungen machen. Ob in der Firma oder auf den Surfbrett, das war ihm eigentlich egal. Hauptsache, der Junge war glücklich.
»Zum Chef wird man nicht geboren. Er muss sich in seine Aufgabe einarbeiten. Und du musst ihm dabei helfen.«
Sollte er ihr sagen, dass er anderer Meinung war? Dass er sicher war, dass es im Charakter eines Menschen lag, ob er Verantwortung übernehmen konnte? Menschen motivieren und führen? Zielstrebigkeit war die Voraussetzung. Ehrgeiz. Eine Portion Skrupellosigkeit vielleicht. Brachte Caspar diese Voraussetzungen wirklich mit? Eva, seine Tochter, ja, die war aus dem gleichen Holz geschnitzt wie er. Sie war erst achtundzwanzig gewesen, als sie zur Leiterin ihrer Abteilung in der Bank aufstieg. Und mit zweiunddreiÃig hatte man sie in die Direktion der Bank berufen. Auch wenn er das nicht von ihr persönlich erfahren hatte, sondern zufällig durch einen Freund, der mit Evas Bank zu tun hatte. Er hatte erfahren, dass sie sehr erfolgreich und angesehen war. Und dass es ihr gut ging. Im Geheimen war er stolz auf seine erfolgreiche Tochter. Und ganz tief in seinem Innern hoffte er immer noch, dass sie eines Tages â¦
»Er ist dein einziger Sohn. Wenn er nicht dein Nachfolger wird, dann wird das das Ende deiner Firma sein.«
Claire wusste, dass Leon nie aufgehört hatte, an Eva zu denken. Aber sie würde das nicht zulassen. Niemand anderem als Caspar stand es zu, Leons Erbe anzutreten, wenn der einmal nicht mehr sein würde. Auch wenn sie das nie laut aussprach â sie war der Meinung, dass Leon seine Schuld ihr gegenüber nur so abtragen konnte. Nur ihr und ihrem Sohn stand es zu, das, was nach dem Untergang der Helena von Leon aufgebaut worden war, eines Tages zu erben. Und sie würde sich das von niemandem streitig machen lassen.
Es war ihr nie um Rache gegangen. Auch nicht darum, dass Leon für etwas büÃen sollte, was er ihr und ihrer Familie angetan hatte. Noch am Grab ihres Vaters hatte sie sich damals geschworen, dass sie sich vom Leben zurückholen wollte, was Leon Menec ihr gestohlen hatte. Glück und Reichtum. Nur deswegen hatte sie damals vor seiner Tür gestanden. Eine verzweifelte Achtzehnjährige, deren Leben er zerstört hatte. Sie hatte ihn nur um einen Job gebeten, nachdem ihre Mutter sich aus Kummer das Leben genommen und sie allein zurückgelassen hatte. Sie hatte den Job in der Verwaltung nicht lange ausüben müssen; dann war sie, wie geplant, Leons Frau geworden und kurz danach die Mutter seines Sohnes. Und sie hatte sich den Platz erobert, der ihr ihrer Meinung nach zustand. An der Seite eines erfolgreichen, geachteten Mannes, in einem Schloss, war sie auf der Sonnenseite des Lebens gelandet.
Dass sich Leon tatsächlich unsterblich in sie verliebt hatte und ihr und Caspar die Welt zu FüÃen legte, hatte sie damals nicht erwartet. Aber es hatte alles leichter gemacht, das Wichtigste in seinem Leben zu sein. Es war alles so gekommen, wie sie es geplant hatte. Und sie würde nicht zulassen, dass irgendjemand die Krönung ihres Plans torpedieren würde. Auch nicht das in ihren Augen total überschätzte Schicksal.
Caspar warf sich wütend auf sein ungemachtes Bett. Er hatte dem Mädchen schon vor langer Zeit verboten, täglich sein Zimmer aufzuräumen und zu putzen. Einmal alle zwei Wochen war genug, auch wenn seine Mutter das abscheulich fand. Unhygienisch. Und kindisch. Aber er wollte einfach nicht das Gefühl haben, auch noch in seinem Zimmer dauernd kontrolliert zu werden.
Er würde das nicht akzeptieren. Er würde nicht akzeptieren, dass Marie ihn verlassen hatte. Als er Michel endlich aus dem Bett getrommelt hatte, hatte dieser versucht ihm weiszumachen, dass
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