Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
Vom Netzwerk:
fahren soll.« Dass er hier unter der dicken Granitplatte liegen sollte, war ihr unvorstellbar. War es ihm nicht zu kalt in der kühlen Erde?
    Als Paul Marie endlich von weitem an Jeans Grab sah, fuhr ihm der Schreck in die Glieder. Sie saß zusammengekrümmt auf der Grabumrandung. Ihr ganzer Körper bebte. Mitleid überschwemmte sein Herz. Wie klein sie aussah, wie einsam in ihrer haltlosen Erschütterung. Als er neben ihr stand, sah sie auf. Ein Staunen lag in ihren verweinten Augen. Sie hatte keine Ahnung, wieso Paul plötzlich hier war.
    Â»Ich dachte … Keine Ahnung, ich hab einfach gedacht, dass du nicht allein sein solltest.«
    Sie erhob sich und sah ihn nur an. Wie sollte er ihr sagen, dass der Gedanke an sie ihn nicht losgelassen hatte. Dass es ihn einfach hierhergezogen hatte, zu ihr. Er wollte sie nicht überrumpeln mit einem Gefühl, das ihm selbst noch nicht ganz geheuer war. Er wollte … Ja, was wollte er eigentlich?
    Â»Würdest du was mit mir essen gehen?« Sie wischte sich die Tränen mit dem Handrücken weg und lächelte. »Keine Ahnung, wieso das so ist, aber wenn ich traurig bin, krieg ich immer einen Riesenhunger.«
    Sie warf Jean einen traurigen Abschiedskuss zu und ging durch die Grabreihen davon. Paul folgte ihr. Irritiert. Und ganz sicher, dass es richtig gewesen war, sie zu suchen.
    Das »Temps des Cerises« gab es schon seit mehr als vierzig Jahren. Generationen von Studenten und Touristen hatten sich mit den riesigen Steaks und den legendären Fritten die Bäuche vollgeschlagen.
    Dass Marie, kaum stand die doppelte Portion Fritten vor ihr, zur Ketchupflasche greifen würde, hatte Paul nicht erwartet.
    Â»Sag mal, dein Vater ist doch Sterne-Koch.« Kaum hatte er es ausgesprochen, wünschte er, er hätte ihren Vater nicht erwähnt. Aber wider Erwarten grinste Marie ihn nur an.
    Â»Da kannst du mal sehen, dass es nicht auf die Gene ankommt, sondern auf die Umgebung, in der man aufgewachsen ist. Meine Mutter hat Ketchup auch geliebt. Sie hat immer gesagt, dass sie uns den französischen Pass abnehmen würden, wenn wir unserer Leidenschaft allzu deutlich in der Öffentlichkeit frönen würden.«
    Sie ließ die rote Sauce auf die Kartoffelsticks tropfen, tauchte dann einen hinein und steckte ihn sich mit verdrehten Augen in den Mund.
    Â»Wahnsinn. Gut, dass ich mich endlich an meine Vorlieben erinnere. Ich liebe übrigens auch Crêpes Suzettes und Muscheln und Artischocken und Spaghetti mit Steinpilzen.«
    Â»Gott sei Dank. Ich hab schon überlegt, wie ich mich rausreden kann, solltest du mich mal zum Essen einladen.«
    Sie sah ihn nachdenklich an. Es war komisch, wie sie es genoss, hier mit ihm zu sitzen und zu essen. Es hatte so was Normales. Als hätten sie das schon öfter gemacht.
    Â»Sag mal … ähm … Das ist jetzt vielleicht ein blöde Frage, aber ich kenne dich doch wirklich erst seit …«
    Â»Wenn du das meinst – wir sind uns am Tag, als du angeschossen wurdest, zum ersten Mal begegnet. Vorher hatten wir uns noch nie gesehen.«
    Â»Ich dachte nur. Ich hatte plötzlich so ein komisches Gefühl …«
    Sie schnitt sich ein Stück Fleisch ab, steckte es in den Mund. Er wusste, was sie meinte. Diese Vertrautheit zwischen ihnen machte ihn auch nachdenklich. Da war so gar nichts Fremdes zwischen ihnen. Nichts Verlegenes, wie es oft bei einem ersten Date vorkam. Aber im Grunde war das auch kein Date. Immerhin hatten sie sich ja nicht verabredet, sondern er war einfach aufgetaucht. Und hatte gehofft, dass sie … Ja, was hatte er eigentlich gehofft, als er auf den Tipp von Gerard Manzel hin auf den Friedhof gegangen war? Dass sie sich freuen würde, ihn zu sehen? Wie kam er eigentlich dazu, so etwas zu erwarten? Nur weil es ihn selbst so unwiderstehlich zu ihr hinzog?
    Â»Sagst du mir, was du gerade denkst?«
    Â»Ich? Wieso … ähm … Ich denke gar nichts. Ich meine, ich habe darüber nachgedacht, ob dir meine Kartoffelsuppe schmecken würde. Ich bin nämlich ein Meister der Kartoffelsuppe.«
    Sie sah ihm nachdenklich in die Augen. Und er wusste, dass sie ihm nicht glaubte.
    Â»Da wirst du dich aber anstrengen müssen. Die beste Kartoffelsuppe, die ich in meinem Leben gegessen habe, hat meine Mutter gekocht.«
    Da saßen sie und redeten über Kartoffelsuppe, als würde es in ihrem Leben nichts Wichtigeres geben. Aber

Weitere Kostenlose Bücher