Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
anderen auf die Schulter. »Ich hatte gute Lehrer.«
    Alle drei lachten, als Ross schließlich ging. Er hatte es immer vorgezogen, sich mit Lachen statt mit Tränen zu verabschieden. 

    KONSTANTINOPEL
    Januar, 1841
    Der britische Botschafter der Hohen Pforte lebte ein dutzend Meilen von Konstantinopel in einem Ort an der Meerenge des Bosporus. Als Ross die Botschaft zu einem Höflichkeitsbesuch betrat, stellte er amüsiert fest, daß die Einrichtung auch in Mayfair nicht fehl am Platz gewesen wäre.
    Als Bastion der britischen Lebensart konnte man der Residenz des Botschafters kein Versäumnis nachsagen , auch wenn sie von außen wie das Heim eines sehr wohlhabenden Türken aussah.
    Ein Diener hatte Ross' Karte hineingebracht, und es verstrichen nur wenige Minuten, bis der Botschafter selbst, Sir Stratford Canning, heraustrat, um seinen vornehmen Besucher persönlich zu begrüßen.
    »Lord Ross Carlisle!« Der Botschafter reichte ihm die Hand. »Ich freue mich, Sie endlich einmal kennenzulernen. Ich habe Ihre beiden Bücher gelesen. Ich kann zwar nicht behaupten, daß ich Ihre Schlußfolgerungen immer billige, aber Ihre Werke waren höchst interessant und aufschlußreich.«
    Ross lächelte und schüttelte Cannings Hand. »Für einen Autor reicht es, gelesen zu werden, Sir Stratford. Durchweg gebilligt zu werden, ist zuviel der Hoffnung. Ich  habe soeben ein drittes Buch beendet, und so werden Sie bald noch mehr Dinge haben, die Sie mißbilligen können.«
    Der Botschafter lachte. »Werden Sie sich lange in Konstantinopel aufhalten, Lord Ross?«
    »Nur für etwa zwei Wochen, bis ich alle Vorbereitungen getroffen habe, um in den Libanon weiterzureisen. Danach möchte ich mir Nordarabien ansehen. Ich würde gerne mit den Beduinen ziehen.« Canning erschauderte. »Lieber Sie als ich. Mein innigster Wunsch ist es, den Rest meines Lebens in EngIand zu verbringen, aber man schickt mich immer wieder hierher. Das ist schon mein dritter Aufenthalt in Konstantinopel. Süßholzraspelei, wissen Sie -sie behaupten immer, niemand könnte den Posten so gut wie ich  ausfüllen.«
    Ross, der Cannings exzellenten Ruf kannte, lächelte. »Ich nehme stark an, daß das Außenministerium recht hat.«
    »Ich wollte gerade in meinem Arbeitszimmer einen Tee zu mir nehmen. Hätten Sie Lust, mir Gesellschaft zu leisten?« Nachdem Ross genickt hatte, führte Canning ihn durch einen Flur in ein hübsches Büro, dessen Wände mit Bücherregalen gesäumt waren. »Ich habe ein paar Briefe für Sie, die seit einigen Wochen auf Sie warten.«
    »Ursprünglich hatte ich gepIant, bereits Anfang Dezember in Konstantinopel einzutreffen«, erklärte Ross, während er Platz nahm. »Doch dann beschloß ich, ein paar Wochen in Athen zu bleiben. Das ist der Vorteil, wenn man aus reinem Vergnügen reist.«
    Canning klingelte nach dem Tee und öffnete dann eine Schublade in seinem Schreibtisch. Nachdem er einen Moment herumgestöbert hatte, zog er einen Stapel Briefe hervor, die mit einem Band zusammengebunden waren. Mit ernster Miene reichte er sie Ross. »Ich fürchte, einer der Briefe enthält schlechte Nachrichten. Er ist schwarz umrandet.« Die Worte des Botschafters ließen Ross' Plauderlaune schlagartig versiegen. Er nahm das Paket in Empfang und wollte wissen: »Würden Sie es mir übelnehmen, wenn ich ihn sofort lese?« »Natürlich nicht.« Canning gab seinem Gast einen Brieföffner und setzte sich dann diskret hinter den Tisch.
    Ross überflog schnell die Briefumschläge, auf denen er unter anderem Saras, Mikhals und die Handschrift seiner Mutter erkannte. Der schwarzgesäumte Umschlag lag zuunterst im Stapel. Er sammelte Kraft, bevor er das Siegel aufbrach. Sein Vater, der Duke of Windermere, war fast achtzig, und obwohl er sich für sein Alter bester Gesundheit erfreute, wäre es nicht überraschend, wenn der Tod ihn gerufen hätte. Falls es so war, so hoffte Ross nur, daß das Ende schnell gekommen war.
    So vorbereitet, den Tod seines Vaters zu akzeptieren, brauchte Ross eine Weile, um zu begreifen, daß der Brief ihm nicht das mitteilte, was er erwartet hatte. Als er den Inhalt endlich in sich aufgenommen hatte, stieß er den Atem aus, schloß die Augen und rieb sich mit einer Hand die Schläfe, während er darüber  nachdachte, wie diese Neuigkeiten sein Leben verändern würde. Vorsichtig erkundigte sich Canning: »Kann ich etwas für Sie tun, Lord Ross? Möchten Sie vielleicht einen Brandy?«
    Ross öffnete die Augen. »Nein, danke. Es geht

Weitere Kostenlose Bücher