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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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zerfallen, und das russische Reich erlebt massive Veränderungen, da lange unterdrückte ethnische Gruppen ihre Identität behaupten wollen.
    Das Herz Zentralasiens hat sein Geheimnis bewahrt.

Prolog
    August, 1840
    DIE NACHT BRACH schnell herein, und eine schmale Mondsichel leuchtete am wolkenlosen, indigofarbenen Himmel.
    Im Dorf rief der Muezzin die Gläubigen zum Gebet, und die monotonen Gesänge mischten sich mit dem betörenden Aroma von gebackenem Brot und dem beißenden Geruch des Rauches. Die Szene war vertraut, friedlich - eine Szene, wie sie die Frau schon zahllose Male zuvor erlebt hatte. Doch nun, als sie am Fenster innehielt, überkam sie für einen Moment eine seltsame Orientierungslosigkeit, und sie hatte Mühe, das Schicksal zu akzeptieren, das sie in dieses fremde Land geführt hatte. Gewöhnlich sorgte sie dafür, daß sie zu beschäftigt war, um über ihre Vergangenheit nachzudenken, aber heute überschwemmte sie eine Woge von schmerzvollem Kummer. Plötzlich vermißte sie die wilden grünen Hügel ihrer Kindheit, und obwohl sie längst neue Freunde gefunden hatte, auf die sie sich verlassen konnte, fehlte ihr auf einmal der sichere Schoß der Familie.
    Am meisten, mußte sie sich eingestehen, vermißte sie allerdings jenen Mann, der mehr als nur ein Freund gewesen war. Sie fragte sich, ob er wohl an sie gedacht hatte, und wenn, ob es voller Haß, Zorn oder mit kühler Gleichgültigkeit geschehen war. Um seinetwillen hoffte sie, daß er vor allem Gleichgültigkeit empfand.
    Alles wäre leichter zu ertragen gewesen, wenn sie nichts mehr gefühlt hätte, dennoch konnte sie den Schmerz nicht bedauern, der auch noch nach so vielen Jahren ihren Alltag unterspülte. Der Schmerz war der letzte Rest der Liebe, und sie war noch nicht gewillt, diese Liebe zu vergessen, ja, sie zweifelte daran, daß sie jemals bereit dazu sein würde.
    Ihr Leben hätte so anders verlaufen können. Sie hatte alles gehabt  - mehr als die meisten Frauen sich je erträumen konnten. Wenn sie nur klüger gewesen wäre oder wenigstens nicht so impulsiv gehandelt hätte. Wenn sie sich nur nicht ihrer Verzweiflung hingegeben hätte.
    Wenn, ach, wenn . . .
    Schließlich erkannte sie, daß ihre Gedanken einmal mehr in die nutzlose Litanei der Reue hineinrutschten. Sie holte tief Atem, riß sich zusammen und zwang sich, an die Aufgaben zu denken, die ihrem Leben Sinn gaben. Die erste Überlebensregel, die sie gelernt hatte, lautete: Nichts kann die Vergangenheit ändern!
    Eine kurzen Moment berührte sie den Anhänger unter ihrem  Kleid. Dann wandte sie dem Fenster und dem dunkler werdenden Himmel den Rücken zu. Sie hatte ihr Bett gemacht, nun mußte sie auch darin liegen. Allein.

Kapitel l
    LONDON
    August, 1840
    Lord Ross Carlisle nippte an seinem Drink, während er wehmütig das verliebte Paar beobachtete, und er dachte darüber nach, daß dies ausreichte, um einen Mann in die entlegensten Ecken der Welt zu jagen. Und genau dort würde Ross hingehen, ans Ende dieser Welt. Daß die beiden Liebenden seine besten Freunde waren, machte es ihm nicht leichter.
    Sein Blick glitt durch das komfortable, hell erleuchtete Wohnzimmer, wo sie sich gerade ihren Verdauungsdrink genehmigten: Brandy für die beiden Herren und Limonade für Lady Sara, die im dritten Monat schwanger war. Die Freunde hatten viele ähnliche Abende zusammen verbracht, und Ross wußte, daß er die anregenden Gespräche und diese Nähe vermissen würde.
    Ross' Gastgeber erinnerte sich schließlich wieder an seine Erziehung, löste sich aus der Umarmung mit seiner Frau und hob die Karaffe. »Noch einen Schluck Brandy, Ross?«
    »Ein wenig, gerne. Nicht zu viel, sonst bin ich für die Fahrt morgen nicht klar genug.«
    Mikhal Connery goß etwas von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in beide Kristallgläser. Während er seines hob, toastete er: »Auf daß du eine aufregende und erfolgreiche Reise hast.«
    Seine Frau Sara hob ihr Glas ebenfalls und fügte hinzu: »Und auf daß du nach all der Aufregung sicher nach Hause zurückkommst.« »Auf diese beiden Wünsche trinke ich mit Vergnügen.« Ross warf Sara einen innigen Blick zu und dachte, wie gut ihr die Ehe bekam. Sie war seine Cousine, und beide besaßen die ungewöhnliche Farbkombination aus braunen Augen und glänzendem goldenem Haar, doch Sara strahlte eine innere Gelassenheit aus, die Ross niemals kennengelemt hatte. Viele Jahre lang hatte er seinen zweifelhaften Frieden darin gefunden, daß er durch die Welt

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