Wilder Als Ein Traum

zu ihrer Beruhigung und fuhr zusammen, als sie dabei leise aufstöhnte. In den letzten Monaten hatte sie während zahlloser schlafloser Nächte davon geträumt, dass sie den Mörder ihres Bruders fand. Aber keins der möglichen Szenarien hatte ein Duell beinhaltet. Es hieß, dass Billy Darling die Menschen aus dem Hinterhalt, nicht jedoch aus nächster Nähe, Auge in Auge, umbrachte. Was würde in einem solchen Augenblick verlangt? Sollte sie vorschlagen, Sekundanten zu wählen, auf die Straße hinauszugehen
und sich in zwanzig Meter Entfernung voneinander aufzubauen? Sie bewegte ihre tauben Finger und wollte beinahe hysterisch loskichern.
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Darling mit einem Mal: »Sicher ist dies Ihr erstes Duell, werte Miss Fine. Nun, da wir beide die Waffen gezückt haben, bleibt nur noch abzuwarten, wer von uns beiden genug Mut zum Abdrücken besitzt. Falls Sie es lieber nicht herausfinden wollen, schlage ich vor, Sie legen Ihre Waffe auf den Tisch und verziehen sich von hier. Und zwar hübsch langsam, wenn ich bitten darf.«
    »Bitte, Billy«, winselte der Sheriff jämmerlich. »Du hast noch nie auf eine Frau geschossen.«
    Darling behielt sein sanftes Lächeln bei. »Bisher hatte ich auch keinen Grund dazu.«
    »Lassen Sie die Waffe fallen, Sir«, befahl Esmeralda in der Hoffnung, dass ihr die Derringer nicht aus dem schweißgetränkten Handschuh glitt, wartete einen kurzen Augenblick und fügte ein schüchternes »b-b-bitte« hinzu.
    »Ich habe als Erster darum gebeten«, entgegnete er.
    Bei der Erkenntnis, dass sie das Zittern ihrer Hände nicht mehr abstellen konnte, wallten Frustration und Erschöpfung in ihr auf. Sie hatte alles verkauft, wofür sie seit ihrem zwölften Lebensjahr gearbeitet hatte - ihre geliebte Schule, das hübsche kleine Haus mit den roten Fensterläden und den Kästen voller Geranien, die kostbaren Bücher, die mit den vom Mund abgesparten Pennies bezahlt worden waren. Esmeralda hatte alles aufgegeben, was ihr etwas bedeutete, nur, um in dieses gottverlassene Nest zu fahren und den Mörder ihres Bruders der Justiz auszuliefern. Dieser saß hier nun und sah sie mit einem kalten Grinsen an, nachdem er das Leben ihres Bruders wie einen fortgeworfenen Zigarrenstummel unter dem Absatz seines Stiefels zermalmt hatte.

    Alles war weg, was ihr Leben lebenswert gemacht hatte, und jetzt wagte der Schuft es, gar sie selbst zu bedrohen.
    Plötzlich erkannte Esmeralda, dass es ihr in der Tat nicht um Gerechtigkeit, sondern vielmehr um Rache ging. Ihre Finger legten sich fester um den Auslöser. Heiße Tränen rannen über ihre Wangen, doch im Nu, wenn sie sie fortwischte, folgten neue Fluten nach.
    Sie sah nicht, dass der Sheriff feixend vor Erleichterung auf seinem Stuhl nach hinten sank. Billy Darling, der furchtlos dem gemeinsten Desperado gegenübertrat und, ohne mit der Wimper zu zucken, einem flüchtigen Gesetzesbrecher in den Rücken schoss, war machtlos gegen die Tränen einer Frau.
    »Himmel, Süße, jetzt wein doch bitte nicht! Ich wollte dir schließlich keine Angst einjagen …«
    Billy hatte sich erhoben und kam mit ausgestreckten Händen um den Tisch, als Esmeralda Fine, die bisher nie auch nur einer Fliege ohne ehrliches Bedauern zu Leibe gerückt war, die Augen schloss und abdrückte.

Die Originalausgabe erschien 1997
unter dem Titel »Touch of Enchantment«
bei Bantam Books, a division of
Bantam Doubleday Dell Publishing Group, Inc., New York.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
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    Blanvalet Taschenbücher erscheinen im Goldmann Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann.
     
    Deutsche Erstveröffentlichung Oktober 2000
    Copyright © der Originalausgabe 1997 by Teresa Medeiros Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2000
    by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Bertelsmann GmbH
    Umschlagillustration: Agt. Schlück/Gadino
    Verlagsnummer: 35312
Lektorat: Maria Dürig
    Redaktion: Barbara Gernet
Herstellung: Heidrun Nawrot
Made in Germany
    eISBN : 978-3-641-02710-0
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