Wilder Als Ein Traum
zarten Gefühle verletzte?«
»Ah!« Billy kreuzte grinsend die Arme vor der Brust und wippte mit dem Stuhl. »Jetzt sind wir schon ein Stückchen weiter. Bitte frischen Sie doch mein Gedächtnis ein wenig auf, Miss Fine. Sie können ja wohl kaum erwarten, dass ich mich an jeden Pechvogel erinnere, den ich erledigt haben soll.«
Überraschenderweise verspürte er ein leichtes Schuldbewusstsein, als er merkte, dass seine hämische Erwiderung sie wirklich traf. Ihre Hand legte sich fester um den Griff der Waffe, und Dauber und Seal verkrochen sich noch tiefer unter ihrem Tisch.
»Von einer Bestie wie Ihnen musste ja eine derart verächtliche Bemerkung kommen«, zischte sie. »Schließlich sind Sie nichts weiter als ein kaltblütiger Mörder, der sich hinter der Maske des gesetzestreuen Kopfgeldjägers versteckt.« Ihr verächtlicher Blick traf Drew. »Sheriff, ich verlange, dass Sie diesen Mann auf der Stelle wegen des Mordes an Bartholomew Fine, dem Dritten, festnehmen!«
»Was ist mit den ersten beiden Bartholomews passiert?« flüsterte Dauber in besorgtem Ton. »Hat Billy die beiden etwa auch umgenietet?« Er stöhnte, als Seals Ellbogen ihn in die Rippen traf.
Wie immer in Augenblicken großer Bedrängnis zwirbelte Drew die Spitze seines Schnurrbarts nach oben. »Hören Sie, Miss, es besteht kein Grund, sich derart aufzuplustern«, tat er hoheitsvoll. »Ich bin sicher, dass Sie und Mr. Darling Ihre kleine Privatfehde auf eine zivilisierte Weise beilegen können, ohne dass Sie mit geladener Waffe den Frieden dieses ehrenwerten Etablissements stören.«
»Privatfehde?« Vor Empörung hätte Esmeraldas Stimme
beinahe gequietscht. »Dem Plakat draußen zufolge ist dieser Mann hier eine öffentliche Gefahr, auf dessen Kopf eine Belohnung ausgesetzt wurde. Ich bestehe darauf, dass Sie ihn festnehmen!«
Drew stotterte etwas Unverständliches, das jedoch von Billys butterweicher, gedehnter Stimme übertönt wurde. »Und wohin soll er mich Ihrer Meinung nach bringen, Miss?«
Während eines wunderbaren Augenblicks blinzelte Miss Fine verwirrt. »Tja, ich denke, ins Gefängnis. Wohin sonst?«
Billy wandte sich an Drew, der, ohne Esmeralda anzublicken, seinen Sheriffstern mit dem Hemdsärmel polierte und murmelte: »Tut mir Leid, Miss, aber das Gefängnis ist bereits überfüllt. Gefährliche Gesetzlose, wissen Sie - ich kann unmöglich zulassen, dass sie frei in unserer Stadt herumlaufen.«
Billy hielt im Wippen inne und grinste die junge Frau mitleidig an. Sicher gäbe sie sich jetzt geschlagen, träte mitsamt ihrem verrückten Hütchen beschämt den Rückzug an und überließe ihn wieder seinem Spiel.
Stattdessen schritt sie entschieden auf ihn zu und sagte mit bedrohlich leiser Stimme: »Falls diese jämmerliche Schießbudenfigur …«
»Einen Augenblick«, rief Drew aufgebracht. »Es besteht kein Grund, mich zu belei…« Er brach ab und sah schmollend in die Runde, als sie ihre Waffe kurz in seine Richtung schwenkte, ehe sie sie wieder auf Billy richtete.
»Falls diese jämmerliche Schießbudenfigur Sie nicht in Gewahrsam nimmt«, wiederholte sie energisch, »dann werde eben ich es tun. Ich bringe Sie nach Santa Fe und übergebe Sie dort persönlich dem Bundesmarshall. Wenn es sein muss, binde ich sie hinten an die Postkutsche und schleife Sie
den ganzen Weg nach Boston, Mr. Darling. Hoffentlich verstehen Sie mich.«
Resigniert rieb Billy sich den Nacken und stieß einen müden Seufzer aus. Sie ließ ihm keine Wahl. Als das Lächeln aus seinen Augen schwand, tauchte der Barmann hinter der Theke ab, Drew schob eilig seinen Stuhl zurück und Dauber hielt sich schnell die Ohren zu.
Billy legte seine Hände auf den Tisch und sah sie betont gelangweilt an. »Ach ja?«, fragte er gedehnt. »Und wer sagt, dass ich einverstanden bin?«
Die verwegene Miss Fine legte ihre Finger noch fester um die Derringer. »Ich habe eine Kugel in der Kammer, die sagt, dass Sie mitkommen!«
Wie herbeigezaubert hielt Billy einen Colt in seiner Hand, den er verwegen schwenkte. »Und ich habe sechs Schuss in meiner Waffe, die sagen, dass ich hier bleibe.«
Esmeralda starrte reglos auf den Colt. Ohne, dass er sich auch nur bewegt hätte, hielt er plötzlich eine riesige schwarze Pistole in der Hand. Im Vergleich zu ihr nahm sich die Derringer lächerlich wie ein Spielzeug aus. Darling sah sie lächelnd an, doch seine Augen blitzten nicht mehr freundlich grün, sondern so grau und hart wie Feuerstein.
Esmeralda atmete kräftig
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