Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilder als Hass, süsser als Liebe

Wilder als Hass, süsser als Liebe

Titel: Wilder als Hass, süsser als Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
über die Winde lief und senkte es in das Loch hinab. Schließlich brüllte er auf persisch in die Öffnung hinein: »Wickel den Strick um dich, und wir ziehen dich rauf. Ein Herr ist zu Besuch gekommen.« Er grinste häßlich.
    »Er behauptet, der Emir läßt dich frei.«
    Das mußte ein alter, gemeiner Scherz sein, denn die einzige Antwort bestand aus einem gutturalen, nur schwach zu vernehmenden Satz aus dem Loch.
    Der Offizier neigte den Kopf und sagte bedauernd: »Ich verstehe kein Russisch, also weiß ich nicht, was er sagt. Aber wenigstens lebt er.«
    ROSS’ Mund verzog sich; auch er hatte die Sprache erkannt, wenn er auch Russisch nicht beherrschte. Also war es der andere Offizier, nicht lan. Später konnte er sich erlauben, enttäuscht zu sein, aber jetzt mußte er sich darauf konzentrieren, den armen Teufel von diesem schrecklichen Ort zu befreien. Mit bitterem Humor stieß er hervor: »Ich denke, er wird die russische Version von >Geh und fick dich selbst< sagen.«
    Der Leutnant lächelte anerkennend, doch der Wärter runzelte die Stirn. »Er wird wahrscheinlich das Seil nicht nehmen wollen.
    Dann können wir ihn nicht raufziehen.«
    »Dann werdet ihr ihn da unten holen«, befahl ROSS ungeduldig.
    Die zwei Wachen sahen sich mit deutlicher Abscheu an.
    »Das ist ein gemeiner Bastard«, sagte der Plumpe. »Der kann einen angreifen, wenn man zu ihm kommt.«
    »Und ihr habt Angst vor einem Gefangenen, der seit Monaten da unten dahinvegetiert?« fragte ROSS ungläubig.
    Ängstlich, seine Autorität aufrecht zu halten, fauchte der Offizier den Wärter an: »Holt das Seil rauf, damit wir einen von euch herunterlassen können.«
    Stur schüttelte das Frettchen den Kopf. »Ich muß jetzt auf meinen Posten zurück. Ich bin für die Zellen im anderen Flur verantwortlich.«
    Der Offizier brodelte vor Wut, während der Plumpe sich alle Mühe gab, unsichtbar zu erscheinen. ROSS, der erkannte, daß sie so nur Zeit verschwenden würden, ließ seinen Zorn überkochen.
    »Idioten! Muß ich denn alles selbst machen?«

    Er nahm das Seil und beugte sich vor, um das obere Ende zu befestigen. Dann griff er sich ungeduldig die Fackel von dem Frettchen, schlang das Seil um seine Mitte und ließ sich mit kontrollierter Langsamkeit in den Kerker hinunter. Die Wände waren glitschig, und der Gestank, der oben schon schlimm gewesen war, schlug ihm mit unbeschreiblicher Intensität entgegen.
    Sechs Meter konnten eine lange Strecke sein, aber endlich hatte er den Grund erreicht, und er stürzte fast, als seine Füße auf dem rutschigen Stein ausglitten. Der Kerker war knapp drei Quadratmeter groß, doch er war mit soviel undefinierbarem Dreck und Unrat übersät, daß es einige Zeit dauerte, die lange, zerlumpte Gestalt, die an einer Wand lag, als menschlich zu identifizieren.
    ROSS brachte die Fackel näher heran. Der Mann hatte ver-filztes dunkles Kopf- und Barthaar und hatte einen Arm über die Augen gelegt, wahrscheinlich, um sie vor dem ungewohnten Licht zu schützen. Er trug nur eine zerfledderte, europäische Hose. Unter dem Dreck war seine Haut kränklich weiß, und sein Körper war so dürr, daß jede einzelne Rippe hervortrat. Offene schwärende Wunden übersäten seine Haut, die wahrscheinlich von den extra gezüchteten Zecken stammten.
    Hätte er nicht eben den Fluch aus dem Loch gehört, wäre ROSS
    sicher gewesen, eine Leiche vor sich zu haben.
    Er kniete sich neben den Gefangenen und sprach leise und beruhigend auf Französisch auf ihn ein, was ein gebildeter Russe verstehen würde, die Männer oben aber nicht. »Ich bin ein Freund, und ich will Sie hier rausholen. Glauben Sie, Sie können gehen?
    Dann kann ich Ihnen besser helfen.«
    Plötzlich rollte sich der Gefangene herum und schlug mit überraschender Kraft nach ROSS. Verdutzt sprang dieser auf die Füße und wich zurück, um dem Angriff zu entgehen. Dann sog er scharf die Luft ein.
    Das Gesicht des Gefangenen war dreckig und ausgezehrt, und er hatte ein Auge verloren, denn sein rechtes Lid hing reglos über einer leichten Vertiefung. Aber es war nicht das Aussehen, das ROSS das Blut in den Adern gefrieren ließ. Viel schockierender war die Tatsache, daß der Mann plötzlich mit einem schwachen schottischen Akzent fluchte: »Du wirst mich nicht noch mal reinlegen, du verdammter Hurensohn.«
    Der Gefangene, der dort auf dem Kerkerboden lag, war lan Cameron.
    Jawer Shahid Mahmud war oftmals versichert worden, er habe einen Kopf wie ein Fels, und er bewies es, indem

Weitere Kostenlose Bücher