Wilder als Hass, süsser als Liebe
sich mißfallend über den Bart. »Der Emir ist doch nicht in der Stadt. Was kann es so Wichtiges geben, das nicht bis morgen früh warten kann?«
»Das.« ROSS zog ein Dokument aus der Innenseite seiner Jacke, dann versuchte er unbeteiligt auszusehen, während der Soldat das Papier untersuchte. Der Befehl war eine Fälschung, im üblichen Stil aufgesetzt und versehen mit einem königlichen Siegel, das vorsichtig von einem offiziellen Dokument gelöst worden war.
Die Fälschung kam aus dem Haus Ephraim ben Abrahams, und ROSS und Juliet hatten
überlegt, wozu wohl eine solche Fingerfertigkeit gelernt werden mußte, aber sie waren klug genug, nicht nachzufragen.
ROSS hielt den Atem an, als der Leutnant die Stirn runzelte. »Ich verstehe nicht«, sagte er.
Erleichtert, daß das Problem inhaltlicher und nicht formaler Art war, antwortete ROSS mit einstudierter Ungeduld: »Du sollst auch nicht verstehen. Deine Aufgabe ist es, uns den Ferengi-Gefangenen auszuliefern, nicht, meine Zeit mit dummen Fragen zu vergeuden.«
»Aber warum jetzt, da Seine Majestät fort ist?«
»Eben weil er fort ist, du Dummkopf! Ein ausländischer Spion ist eine diplomatische Peinlichkeit, gefährlich gefangenzuhalten und gefährlich zu töten. Probleme dieser Art werden am besten gelöst, während der Emir mit wichtigeren Dingen beschäftigt ist. Wirst du nun dem Befehl gehorchen, oder willst du ein Teil des Problems werden?«
»Ich bin nicht befugt, Gefangene freizulassen«, entgegne-te der Leutnant sturköpfig, aber sein Selbstvertrauen schwand im Angesicht von ROSS’ großkotzigem Auftreten.
»Das Dokument ist alles an Befugnis, was du brauchst.« ROSS war nicht umsonst der Sohn eines Dukes - wenn er es wollte, konnte er fürchterlich arrogant und offiziell wirken. Er verlagerte sein Gewicht auf die Fußballen und betonte damit seine Größe, die die anderen überragte. Dann wurde seine Stimme leiser, tiefer und drohender. »Ich habe jetzt genug von deiner Dummheit. Saadi Khan ist es nicht gewohnt, warten zu müssen. Bring mich sofort zu dem Gefangenen.«
Noch bevor ROSS ausgesprochen hatte, änderte sich die Miene des Leutnants zu serviler Dienstbarkeit. Er kam stolpernd auf die Füße und stammelte: »Ich bitte tausendmal um Vergebung, Herr. Ich wollte dich nicht beleidigen. Eine solche Prozedur ist nur so ungewöhnlich.«
»Nicht weniger, als einen Ferengi-Gefangenen zu haben«, entgegnete ROSS streng.
»Wenn du bitte mit mir kommen willst, Herr.« Der Offizier nahm eine Lampe, dann führte er sie eine lange, gewundene Treppe hinunter, die sie in den untersten Stock des alten Gemäuers brachte.
Am Fuß der Stufen begannen sie, einen schmalen Gang entlangzugehen, der mit schweren Türen gesäumt war, aus denen Laute des Elends drangen. In einer Zelle intonierte eine Stimme Gebete in klassischem Arabisch, während hoffnungslose, erstickte Schluchzer aus einer anderen kamen. Allein die Mauern schienen mit Leiden und Verfall getränkt.
Mit unbewegtem Gesicht sah ROSS stur geradeaus. Zwei Wärter aus dem Wachraum des Kerkergeschosses schlössen sich mit Fackeln an, aber die Lichter konnten der erstik-kenden Finsternis kaum etwas entgegensetzen. ROSS konnte den Gedanken nicht ausschließen, daß er und Murad das Tageslicht nie wiedersehen würden, wenn auch nur der kleinste Verdacht an ihrer Echtheit als königliche Beamte aufkam.
Endlich erreichten sie eine rohgehauene Kammer am Ende des Ganges. Das Loch im Boden war mit einem Deckel geschlossen.
ROSS starrte auf die Klappe. Nun waren sie also am Siah Tscha, dem Schwarzen Brunnen, angelangt, der zentralasiatischen Version des Burgverlieses.
Einer der Gefängniswärter beugte sich vor und nahm den Deckel ab. Aus dem Loch drang ein Gestank, vor dem alle schnell zurückwichen. ROSS’ Magen zog sich heftig zusammen, doch er konnte sich jetzt keine Schwäche leisten. »Beim Barte des Propheten«, knurrte er. »Lebt der Gefangene überhaupt noch?«
Einer der Wärter mit einer breiten, dümmlichen Visage bemerkte hilfreich: »Ich glaube, er ißt das Zeug, was wir ihm runterwerfen.«
Der andere, dessen spitzes Gesicht an ein Frettchen erinnerte, zuckte die Schultern. »Das heißt nichts. Kann auch von Ratten gefressen werden. Oder von den Schafzek-ken. Die werden extra für den Schwarzen Brunnen gezüchtet.«
ROSS war dankbar für den falschen Bart, der seinen Gesichtsausdruck verbarg. Regungslos forderte er: »Holt den Gefangenen rauf.«
Der klobige Wärter löste das Seil, das
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