Wilder Engel (German Edition)
Sicherheitsgurt und anschließend die Augen.
Jetzt war es also so weit! Sie würde sich ernsthaft überlegen müssen, wie es von heute an mit ihrem Leben weitergehen sollte. Sie war Mitte dreißig und immer noch nicht wirklich entschlossen, wo der Weg hinführen sollte.
Es wurde Zeit, zumindest einige Richtlinien festzulegen – und zwar verbindlich.
Das Abenteuer im Dschungel hatte nämlich eine äußerst wichtige Erkenntnis gebracht: So wie früher sollte es nicht weitergehen in Angelas Leben!
In ihrem Rucksack, der als Handgepäck diente, war auch ein Malblock voller fertiger Zeichnungen verstaut. Die meisten davon zeigten Farne, aber auch Flechten und Blätter.
Elke hatte gesagt, die Zeichnungen wären das Beste, was Angela in den letzten Jahren produziert hätte. Und sie musste der Freundin Recht geben.
Sie wollte die Blätter als Vorlagen für Gemälde in Öl oder Acrylfarben benutzen. Vielleicht auch Aquarell, je nachdem. Und dann sehen, wie sie damit bei den Galerien ankam.
Außerdem war Angela wild entschlossen, auch in ihrem Privatleben eine neue Richtung zu verfolgen.
Die Zeit der Affären war endgültig vorbei, es wurde Zeit, der wahren Liebe eine echte Chance zu geben, sonst wurde das nie mehr was.
Sie hatte auch viel über Berthold nachgedacht in der Zeit im Regenwald und war zu folgendem Schluss gekommen: Er hatte keine wirklich faire Chance gehabt seinerzeit!
Er war von vorneherein der Unterlegene gewesen im Spiel und Angela die Überlegene. Er hatte sie gewollt, die Blonde mit den langen Beinen, die so anders war als »normale« Frauen. Ein bisschen verrückt, ein bisschen daneben, aber gerade dadurch auch so anziehend.
Berthold war seinerseits so »normal«, dass er sich nach einer Frau verzehren musste, die ihm ein wenig auf die Sprünge zu helfen schien.
Angela brachte den Geruch nach Abenteuer mit ins Haus. Er mochte das.
Sie hatte ihn eigentlich nie in Betracht gezogen, er war nur ihr »Kristallzüchter« gewesen, und dabei hätte sie es besser auch belassen sollen.
Er hatte nicht gekonnt bei ihr, weil er gespürt hatte, dass er der Unterlegene war. Von vornherein und für alle Zeiten. In solchen Fällen musste sogar Viagra versagen.
Der arme Berthold war ein Opfer gewesen. Seiner eigenen Wünsche und Sehnsüchte wohlgemerkt, denn er hatte sich alles selbst ausgesucht und eingebrockt.
Das war lange her, und es waren Angela danach selbstredend noch andere dumme Geschichten mit Männern passiert. Mal war sie die Überlegene gewesen, dann wieder die Unterlegene. Geklappt hatten all diese Geschichten so natürlich nie.
So etwas wollte sie jetzt nicht mehr, darüber war sie hinausgewachsen. Jetzt wusste sie Bescheid, jetzt war sie endlich reif für die große Liebe. Oder sollte es besser heißen: für die große »Balance«?
Sie war noch nie so voller Hoffnung auf Teneriffa gelandet wie heute. Sie spürte ganz deutlich, dass etwas Besonderes in der Luft lag …
Die Boeing setzte mit einem harten Ruck auf, und dann begann auch schon das Bremsmanöver. Die Passagierewurden in die Sitze gedrückt, und manche wirkten etwas verschreckt.
Angela aber wusste, dass die Landebahn nicht allzu lang war, wie meistens auf Inseln, und dahinter das offene Meer mit seinen Untiefen heimtückisch lauerte. Der Pilot hatte gar keine andere Wahl, als so scharf zu bremsen.
Sie lächelte in sich hinein: Es war schön, alles, was man doch zu kennen glaubte, plötzlich mit neuen Augen zu sehen! Wäre sie nicht im Amazonasgebiet für viele Wochen lang verschüttgegangen, wer weiß, vielleicht wäre ihr das nie im Leben bewusst geworden?
»Willkommen auf Teneriffa, liebe Passagiere«, drang die Stimme des Copiloten aus den Lautsprechern. »Bleiben Sie bitte noch so lange angeschnallt sitzen, bis die Leuchtzeichen über Ihren Sitzen erloschen sind. Danke. Die Außentemperatur beträgt übrigens derzeit bereits 20 Grad Celsius, und bis zum Sonnenaufgang sind es noch ziemlich genau 50 Minuten. Wir, die Crew, wünschen Ihnen einen schönen Urlaub und würden uns freuen, Sie bald wieder an Bord unserer Boeing 747 begrüßen zu dürfen.«
Die übrigen Passagiere applaudierten freudig, die ersten öffneten unerlaubterweise die Gurte und versuchten aufzuspringen, sodass die Stewardessen sie ernstlich ermahnen mussten.
Angela lächelte ein weiteres Mal still in sich hinein: Lasst euch doch Zeit, Leute, das Leben läuft euch sonst davon, und ihr werdet es nie einholen.
Vierzig Minuten später stoppte ein Taxi
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