Wilder Eukalyptus
meistens draußen aufhielt, und er war immer zu Scherzen aufgelegt. Für Gemma verkörperte Ned einen klassischen Viehhändler der alten Schule.
Als Ned vor dem Rindergehege hielt, saß er nicht alleine im Wagen. Gemma ging hinüber, um ihn zu begrüßen.
»Hi, Ned, wie geht’s?«
»Hallo, Gemma, alles klar? Mir geht es gut.« Ned hievte sich aus dem Wagen und deutete mit seiner schwieligen Hand auf die Beifahrerseite. »Gemma, dieser junge Bursche hier ist Ben Daylee. Er arbeitet seit Kurzem für uns. Ben, das ist Gemma Sinclair.«
Gemma sah zu dem jungen Mann hinüber, während dieser aus dem Wagen stieg. Sie hatte eigentlich einen jungen Auszubildenden erwartet, musste jedoch überrascht feststellen, dass Ben in ihrem Alter war. Während sie ihn musterte, verschlug es ihr den Atem, und sie errötete leicht. Sie hoffte, dass es niemand bemerkte. Ben sah einfach blendend aus.
Gemma reichte ihm die Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Wissen Sie auch, worauf Sie sich eingelassen haben, mit dem da als Chef?« Sie deutete auf Ned.
Ben lächelte. Perfekte Zähne. War irgendetwas an ihm nicht perfekt?, fragte sich Gemma im Stillen.
»Sicher, aber weiß Ned auch, worauf er sich mit mir eingelassen hat? Ich kann ihm bestimmt noch das eine oder andere beibringen.«
»Darauf wette ich«, sagte Gemma. »Gut, dann gehen wir mal zu den Ochsen …« Sie wandte sich um und marschierte voraus zum Gehege, während Ned und Ben ihr folgten.
»Schöne Tiere«, bemerkte Ben anerkennend, als sie die Herde begutachteten.
»Danke. Mein Mann und ich haben sie von meinem Vater gekauft. Er züchtet Angus. Kennen Sie sich mit Rindern aus?«
»Ich bin auf einer Rinderfarm aufgewachsen. Meine Eltern besitzen im Süden viertausend Morgen Land. Sie züchten übrigens ebenfalls Angus.«
»Oh, welcher Stammbaum?«, fragte Gemma, mehr, um Bens Wissen zu testen als aus aufrichtigem Interesse. Viele Neulinge in der Branche dachten, sie verstünden etwas vom Geschäft, obwohl sie in Wirklichkeit nur wenig Erfahrung besaßen.
»Im Wesentlichen züchten wir drei Blutlinien. Wir arbeiten überwiegend mit künstlicher Befruchtung und Embryotransfer. Der Samen stammt von amerikanischen Deckstieren.« Ben erzählte detailliert von der Rinderzucht seiner Eltern, während Gemma aufmerksam zuhörte. Kein Zweifel, er kannte sich mit Rindern aus.
»Ich helfe hin und wieder auf der Farm meiner Eltern aus, wenn die Kühe künstlich besamt werden«, sagte Gemma. »Vor ein paar Jahren habe ich sogar einen Fortbildungskurs gemacht. Aber hier auf Billbinya benötige ich dieses Wissen nicht, weil ich selbst keine Rinder züchte. Ich kaufe sie lieber bei anerkannten Züchtern. Meistens bei meinem Vater, aber auch bei anderen, um identische Blutlinien zu vermeiden.«
»Okay«, unterbrach Ned das Gespräch, »fangen wir mit der Arbeit an.«
Der gesamte Rinderbestand durchlief den Treibgang, während Ben und Ned zählten. Bulla und Jack kümmerten sich um einen reibungslosen Ablauf im Gehege, und Garry sorgte für Nachschub von den Weiden. Nachdem alle Rinder gezählt waren, lud Gemma die beiden Viehagenten zu einem Kaffee ins Haus ein, während Garry, Bulla und Jack die Herden auf ihre Koppeln zurückbrachten.
Ned addierte die Stückzahlen, die er sich in den vergangenen Wochen notiert hatte, und erläuterte anschließend Gemma das Ergebnis, nachdem sie sich zu ihm an den Küchentisch gesetzt hatte.
»Also, Gemma, unsere Zählungen decken sich nicht mit Adams Buchhaltung. Fast alle Schafherden sind größer als dokumentiert. Manche haben einen Zuwachs von bis zu fünfhundert Tieren, im Schnitt sind es um die hundertfünfzig. Dafür stimmen die Zahlen bei den Rindern einigermaßen, sieht man von den Mastochsen ab, wo wir siebzig Tiere mehr gezählt haben. Was mir allerdings Sorgen macht, ist, dass Adam vor ungefähr zehn Monaten einen Vertrag mit einer Mästerei abgeschlossen
hat über die Lieferung von dreihundert Jungochsen. Dabei gibt euer Bestand das gar nicht her. Ihr habt fünfhundert Rinder plus die siebzig Mastochsen, aber die verkauft ihr normalerweise auf der Jungtierschau im Januar. Woher willst du die dreihundert Ochsen nehmen, die du laut Vertrag liefern musst?«
Gemma fiel der Teelöffel aus der Hand, der klirrend auf dem Tisch landete. »Was für ein Vertrag? Adam hat mir nichts davon gesagt!«
»Der Vertrag mit dem Mäster, den Adam schon seit drei Jahren beliefert. Du weißt schon, der Mastbetrieb am anderen Ende der
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