Wilder Eukalyptus
Grundstücksmakler Gemma kontaktiert und ihr Kaufangebote unterbreitet, lukrative Angebote, aber ihre Antwort lautete immer nein. Sie wollte die Farm behalten. Die Viehzucht war das Einzige, was sie gelernt hatte und was sie interessierte.
Die anderen Farmer reagierten mit Staunen und Skepsis auf Gemmas Entscheidung.
Als Gemma die Farm mit Adam noch gemeinsam bewirtschaftete, hatte sie allgemeine Anerkennung für ihre Arbeit erhalten. Aber nun, als einzige Frau in einer Männerwelt, weckte sie den Argwohn der Farmersfrauen, die ihre Zeit lieber der Country Women’s Association, der Gartenarbeit oder dem Tennis widmeten statt der Landund Viehwirtschaft.
Die Männer behandelten sie mit einer Mischung aus Respekt und Verachtung. Gemma wusste, dass die meisten sie für unfähig hielten, die Farm zu leiten. Erst neulich hatte sie bei Hawkins & Jones , dem Großhandel für Farmer, zufällig einen der Kunden sagen hören: »Die Sinclair-Witwe traut sich schon was, aber du wirst sehen - der wird das Farmerspielen ziemlich schnell verleidet sein, wenn ihr das Geld ausgeht. Dann muss sie verkaufen.«
Würde man Gemma fragen, müsste sie zugeben, dass es tatsächlich nicht einfach war, eine so große Farm zu bewirtschaften, aber niemand hatte sie gefragt. Ohne ihre zuverlässigen Viehtreiber Bulla und Garry wäre sie aufgeschmissen. In den letzten sechs Monaten, seit Adams Tod, hatten die beiden häufig Überstunden machen müssen. Sie beklagten sich nie, aber Gemma benötigte dennoch eine weitere Arbeitskraft, um die beiden zu entlasten. Es gab Weiden auf Billbinya, die sie schon wochenlang nicht mehr gesehen hatte, und nur der liebe Gott wusste, in welchem Zustand die Schafe und Kühe dort waren. Ein dritter Mann musste her, beschloss Gemma und machte sich daran, ein Stellenangebot für die Zeitung aufzusetzen.
Nachdem sie den Anzeigentext per E-Mail verschickt hatte, nahm sie sich den Stapel Rechnungen und Briefe vor, die mit der letzten Post gekommen waren. Während sie einen Umschlag nach dem anderen öffnete, wurde ihr Herz immer schwerer. Auf Billbinya wurden überwiegend Hammel gehalten, zusammen mit ein paar Mutterschafen, um den Bestand nachzuzüchten, sowie Rinder. Die Preise für Wolle waren schon seit geraumer Zeit auf dem
Tiefstand. Gemma kam immer mehr zu der Überzeugung, dass sie einige grundlegende Dinge auf der Farm ändern musste. Offenbar brachte Wolle derzeit nicht genügend Geld ein, um ihre laufenden Kosten zu decken. Also musste sie einen anderen Weg finden, wie sie ihren Lebensunterhalt sichern konnte.
Nachdem Gemma ihre Buchhaltung für Mai auf den aktuellen Stand gebracht und die Umsatzsteuer berechnet hatte, ging draußen am Horizont langsam die Sonne auf. Gemma reckte sich auf ihrem Stuhl und erhob sich.
Sie öffnete die Verandatür, die vom Büro auf die Terrasse des geräumigen Farmhauses führte, klappte beide Flügel weit auf und atmete die eisige Morgenluft ein. Das war ihr tägliches Ritual in den acht Jahren, seit sie auf Billbinya lebte.
Die Farm erstreckte sich zum größten Teil über eine sanfte Hügellandschaft. Mitten hindurch floss ein Bach, dessen Ufer riesige alte Eukalyptusbäume und moosbedeckte Felsen säumten.
Der Hof lag am Fuße eines Granitfelsens, umgeben von einer großen Wiese, auf der Efeu und wilde Geranien wucherten. Pfeffer- und Mandelbäume reihten sich am Zaun entlang. Früher einmal gab es einen Obst- und Gemüsegarten für den Eigenbedarf, aber Gemma hatte keine Zeit mehr dafür, seit sie sich alleine um die Farm kümmern musste.
Das Haus war aus Stein gebaut und hatte ein Blechdach. Adams Urgroßvater hatte es errichtet. Die Fenster waren zwar klein, aber das Haus selbst war sehr großzügig gestaltet und verfügte über fünf Schlafzimmer, ein Esszimmer, einen Salon und einen großen Wintergarten,
der einen Panoramablick auf die Buschlandschaft bot, die sich bis hoch zu den Bergen erstreckte.
Die Hausseite, auf der das Büro und die Veranda lagen, zeigte hinaus auf flacheres, weites Weideland.
Gemma sah hinüber zu dem Zwinger unter den Bäumen, in dem so früh am Morgen noch alle Hunde dösten, mit Ausnahme ihres treuen Begleiters Scoota. Er hockte vor seinem ausgehöhlten Baumstamm, der ihm als Unterschlupf diente, und lauschte mit gespitzten Ohren auf die Bewegungen seines Frauchens.
Rechts vom Haus stand ein alter Geräteschuppen, in dem die landwirtschaftlichen Maschinen zum Mähen und Düngen der Weiden lagerten. Direkt dahinter lagen die
Weitere Kostenlose Bücher