Wilder Eukalyptus
sein, ich habe keinen Schimmer, wie er das mit den Raten hinbekommen hat. Manchmal reicht das Geld auf dem Konto nicht einmal, um die Löhne zu bezahlen, geschweige denn irgendwelche Kredite. Ich habe keine
Ahnung, wie ich die nächste Rate an Adams Eltern aufbringen soll, aber mir fällt schon was ein. Sind ja noch ein paar Monate.«
Stille breitete sich aus, die nur vom Knistern des Feuers unterbrochen wurde. Jess bemerkte, dass der Klapptisch wackelte, weil Gemma den Teig härter knetete, als nötig war - das einzige Anzeichen, dass sie innerlich aufgewühlt war. Jess konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihre Freundin ihre Trauer noch nicht richtig verarbeitet hatte. Gemma war schon immer gut darin gewesen, ihre Gefühle zu unterdrücken.
Ohne von ihrem Teig aufzuschauen, sagte Gemma: »Ich finde eigentlich, dass ich meine Sache ganz gut mache. Aber neulich in der Stadt habe ich zufällig jemanden sagen hören, ich würde mich nur als Farmerin aufspielen. Das hat mich sehr getroffen. Ich weiß, dass die Leute über mich reden, aber es tut schon weh, wenn man so etwas mitbekommt.« Sie hob den Blick und lächelte traurig. »Das ist kein Spiel, Jess. Ich versuche ernsthaft, die Farm zu leiten.«
»Oh, Gem, ich würde nie auf die Idee kommen, dass dir die Sache nicht ernst ist. Ich habe schon immer gewusst, dass du das Zeug dazu hast. Das war doch immer dein größter Wunsch - weißt du noch, auf unserem stinkfeinen Internat hattest du ständig Heimweh. Unsere Gemma braucht das weite, offene Land!«
»Ich vermisse Adam jeden Tag, aber das Leben geht weiter, und ich will das Beste daraus machen«, sagte Gemma leise.
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Teig und murmelte etwas, das Jess nicht verstehen konnte.
»Was hast du gesagt?«, fragte Jess.
»Ich sagte, ich wünschte, dass ich Adam fragen könnte, wie es zu den großen Abweichungen bei den Viehbeständen kommt«, wiederholte Gemma.
»Große Abweichungen?«, fragte Jess mit einem mulmigen Gefühl im Bauch.
»Wir haben einen unerklärlich hohen Zuwachs an Mutterschafen, was bedeutet, dass wir auch mehr Lämmer haben. Seltsam, Adam war sonst immer so genau mit den Zahlen. Bulla sagt, Adam kannte die Größe jeder einzelnen Herde auswendig. Aber plötzlich haben wir Zuwächse von bis zu fünfhundert Tieren. Das ist ungewöhnlich viel. Nächste Woche kommt der Viehhändler, dann zählen wir den kompletten Bestand, Schafe und Rinder. Ich muss bis zum dreißigsten Juni ein genaues Ergebnis haben, weil dann die Steuer fällig ist.«
Jess zögerte kurz. Das war praktisch ihr Stichwort. »Weißt du, Gem …«
Aber Gemma war noch nicht fertig. »Adam saß oft am Computer, um das Herdbuch zu aktualisieren, auch wenn es gar keine Änderungen gab, wie er dann immer behauptete, aber ich dachte halt, er plant für den nächsten Tag oder so.« Sie zuckte mit den Schultern und schenkte Jess ein strahlendes Lächeln. »Na gut, der Teig ist jetzt fertig und kann auf das Feuer. Außerdem brauche ich einen neuen Drink.«
Jess klappte den Mund auf, um jetzt zu reden, schloss ihn aber gleich wieder. Die Gelegenheit war verstrichen.
Nachdem sie gegessen hatten, rollte Jess ihren Schlafsack neben der Feuerstelle aus. Dann streifte sie ihre Stiefel ab und schlüpfte in die wärmende Hülle. Gemma legte
einen dicken Ast ins Feuer und folgte anschließend Jess’ Beispiel.
»Hast du immer noch Ärger mit Ian und Joan?«, fragte Jess.
»Ah, die bösen Schwiegereltern … Nein, eigentlich nicht. Adams Tod hat sie so sehr erschüttert, dass sie ihren Schmerz an mir ausgelassen haben. Sie konnten anfangs nicht verstehen, dass Adam mir die Farm vererbt hat, statt sie wieder an seine Eltern zu überschreiben, aber ich glaube, das Thema ist mittlerweile gegessen. Solange sie ihr Geld bekommen, ist alles in bester Ordnung. Wenn ich in der Stadt bin, besuche ich sie regelmäßig, und hin und wieder rufen sie an, um sich nach mir zu erkundigen, aber im Grunde haben wir nicht viel miteinander zu schaffen. Ian ist der Meinung, eine Frau ist nicht imstande, eine Farm zu leiten. Ich lasse ihn in dem Glauben, dass mein Vater mich bei allen Entscheidungen berät.«
»Und wie steht Billbinya finanziell da? Ist es wirklich so schlimm, wie du vorhin angedeutet hast?«, fragte Jess vorsichtig.
»O nein, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Die Viehwirtschaft ist eben ein schwieriges Geschäft. Das Konto ist permanent in den Miesen, aber ich kriege das schon irgendwie
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