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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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feststellen, dass sie sich gut gehalten hatte. Die Farben, die sie trug, überraschten ihn – er hatte angenommen, eine Frau, die im Verborgenen lebte, würde sich so unauffällig wie möglich kleiden. Abby Tylers Hosen dagegen waren scharlachrot, ihre Bluse flammfarben.
    Gestern Abend hatte sie verwundbar gewirkt. Ein Eindruck, der trügerisch sein konnte.
    Jetzt sah er auf dem Weg vor sich, wie sich eines der in eine grün-blaue Uniform gekleideten Dienstmädchen, eine kleine Spanierin, wie es schien, mit einem Riesensack Wäsche abmühte und dadurch den Weg blockierte.
    Jack ahnte, was jetzt passieren würde. Das hatte er schon in
anderen Etablissements erlebt, die ihre Dienste den Reichen und Verwöhnten angedeihen ließen. Das Hausmädchen würde angeraunzt werden, mit ihrer Karre zu verschwinden und in Zukunft darauf zu achten, derartiges Aufsehen zu vermeiden. Es gab Hotels, in denen der Gast niemals ein Zimmermädchen zu Gesicht bekam; sie waren darauf geeicht, unsichtbar zu bleiben.
    Aus einiger Entfernung beobachtete Jack, wie Abby Tyler und ihre Begleiterin, eine stattliche Frau in einem langen, weißen Kaftan, stehen blieben und etwas zu dem Mädchen sagten. Der leise Windhauch trug ihm ihre Stimmen zu, und so war er einigermaßen verblüfft, von Tyler keinen Vorwurf zu hören. Stattdessen nahm sie dem Mädchen das sperrige Wäschebündel ab, stemmte es hoch und lud es in das Wägelchen. »Du sollst doch nichts Schweres heben«, bekam Jack mit. » … an dein Baby denken … ruf einen der Männer, damit er dir hilft.«
    Jetzt erst bemerkte Jack, dass das junge Mädchen ganz offensichtlich schwanger war. Abby Tyler nannte sie Maria und klopfte ihr begütigend auf die Schulter. Maria errötete und lächelte. Abby Tyler und ihre Begleiterin eilten weiter.
    Wohl oder übel musste Jack sein Vorurteil über die vermeintlich harte Chefin revidieren.
    Er schritt schneller aus, hastete ihr nach. »Miss Tyler!«
    Sie drehte sich um. Einen Moment lang wirkte sie befangen, direkt verstört, dann legte sich eine Maske über ihr Gesicht. »Jack Burns«, stellte er sich vor und streckte die Hand aus.
    Ihre Begrüßung fiel unerwartet aus – mit beiden Händen umschloss sie die seine, und dann lächelte sie, und auch das überraschte ihn, denn dieses Lächeln war herzlich, zutraulich. Jetzt, da er sie aus der Nähe sah, bemerkte er die Fältchen um ihre Augen, die nicht von zu viel Sonne herrührten, sondern vom vielen Lächeln. Eine große Wärme ging von ihr aus, als
sie jetzt den Kopf zur Seite neigte und einzelne Strähnen ihrer dunklen Locken in der Sonne kupfern aufleuchteten. »Sind wir uns schon mal begegnet, Mr.Burns? Ihr Name kommt mir bekannt vor.«
    »Möglicherweise«, sagte er leichthin.
    Ihr Parfum, von dem ihn je nach Windrichtung ein Hauch streifte, war erlesen und weiblich. Sie schien ihn eingehend zu mustern. Was ihn aus der Reserve lockte. Schließlich stand sie doch in dem Ruf, sich nur selten mit Gästen einzulassen. Auf eine derart direkte Konfrontation war er nicht gefasst gewesen. Er nahm die Pilotenbrille ab, damit sie ihm in die Augen schauen konnte.
    Während sie eine Wüstenbrise umfächelte, sah Abby Jack genau an und überlegte dabei, warum ihr sein Name so bekannt vorkam. Er selbst war ein Fremder: Die verspiegelte Pilotenbrille, die Lederjacke, die Haltung, das kurzgeschnittene Haar, das noch nie mit einem Kamm in Berührung gekommen zu sein schien. Dann aber fiel ihr wieder Maurice und die Krise in der Küche ein, und sie zog die Hände zurück. »Ich hoffe, Sie genießen Ihren Aufenthalt. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen … «
    Er schaute nach rechts und nach links, so als wollte er sichergehen, nicht belauscht zu werden, oder wie um sich das, was er auf dem Herzen hatte, zurechtzulegen. Ein vorsichtiger Mann, sagte sich Abby, nicht ohne die Gelegenheit wahrzunehmen, seine beiden Kieferpartien eingehend zu studieren, den sehnigen Nacken, das bis auf halbe Schädelhöhe geschorene Haar. »Dürfte ich Sie später zu einem Drink einladen?«, sagte er.
    Damit hatte sie nicht gerechnet. »Danke, aber ich habe wirklich sehr viel zu tun. War mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen, Mr.Burns.« Sie ging weiter.
    Nach ein paar Schritten drehte sie sich nochmals um. Er hatte
sich nicht vom Fleck gerührt, sah ihr durch die verspiegelten Brillengläser nach.
    Wieder überkam Abby das Gefühl von Angst. Sie spürte, dass er sie unter die Lupe nahm, dass er aus einem ganz bestimmten Grund hier

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