Wilder Oleander
aber Bekanntschaften zu vermitteln.
Die zu knüpfen und alles Weitere blieb Coco überlassen. Und wenn sie sich nicht beeilte, würde sie ihren Seelenverwandten verpassen und nie wieder ausfindig machen können.
Als sie sich abtrocknete, wusste sie bereits genau, nach wem sie als Erstes Ausschau halten würde. Nach Morris sowieso, mit dem sie gestern Abend in der Bar am The Grille geflirtet hatte. Es hatte sich ganz gut angelassen, bis eine bleierne Müdigkeit über sie gekommen war. Kein Wunder, wo ihre innere Uhr drei Stunden vorging. Sie hatte sich entschuldigt und war gegangen. Jetzt wollte sie diesen Morris wiedersehen. Schon weil er erzählt hatte, er sei Reiseschriftsteller und kenne die ganze Welt. Genau der Mann, nach dem sie Daisy zufolge Ausschau halten sollte.
Coco wollte gerade aufbrechen, als das Telefon läutete. Der Anruf kam von Vanessa Nichols, der Geschäftsführerin, die ihr mitteilte, dass die Verabredung zum Mittagessen mit Abby Tyler verschoben werden müsse. »Es ist etwas dazwischen gekommen.« Alles andere als schlimm für Coco. Umso mehr Zeit, den Mann ihrer Träume aufzuspüren.
The Grove war erfüllt von Vogelgezwitscher, nicht nur aus der Voliere, die sich unübersehbar im Zentrum der Ferienanlage befand, sondern auch von all den Vögeln, die die importierten und inzwischen heimisch gewordenen Bäume bevölkerten. Der schattige Pfad führte Coco zu einem der Swimmingpools, in dem gut gelaunte Gäste herumplanschten und sich sonnten und flirteten. Coco nahm auf einem hohen Hocker an der Bar Platz und bestellte sich eine Bloody Mary mit extra Salz. Bereits der erste Schluck versetzte sie in Hochstimmung.
Sie schaute sich nach Morris, dem Reiseschriftsteller, um und entdeckte dabei um den Wasserfall und die Springbrunnen herum bekannte Gesichter.
Beispielsweise Beatrice Carmichael, als Schauspielerin das
Sex-Idol der siebziger Jahre, die jetzt in Fernsehfilmen in der Rolle von Großmüttern auftrat. Ihre Figur war noch immer durchaus passabel, jedenfalls in einem Einteiler.
Unter drei vorbeiflanierenden Gästen machte Coco die Frau in der Mitte als Willow Dawson aus, den einstigen Kinderstar, der sich später auf die so genannten »Surfer Girl«-Filme verlegt hatte. Völlig schlaff hing sie am Arm von zwei Assistenten, so als wäre sie nicht imstande, ohne fremde Hilfe auch nur einen Schritt zu laufen. Coco zwang sich, sie nicht anzustarren. Dawson, in ihren ruhmreichen Zeiten eine Schönheit und inzwischen Mitte fünfzig, sah elend aus (es hieß, sie sei ihr Leben lang magersüchtig gewesen), eher wie eine Achtzigjährige.
Ein attraktiver junger Mann mit Knackarsch kam mit einem Berg Handtücher an. Als er Coco eins hinhielt, lehnte sie dankend ab. »Ich bin allergisch gegen Chlor.«
Früher war sie eine begeisterte Schwimmerin gewesen. Als sie und ihre Taille dann die dreißig erreichten – an Jahren wie an Zoll –, hatte sie ihren Badeanzug ad acta gelegt. Mit einem leisen Seufzer sah sie dem Knackarsch nach. Hatte er ihr ein »komm mit« signalisiert? Sie hatte ja so einiges über The Grove gehört; von zügellosem Sex, dem alle frönten, war da die Rede gewesen.
»Entschuldigen Sie bitte … «
Coco wandte sich um und sah ein bekanntes Gesicht auf sie herablächeln: der Mann aus der Flughafenlounge gestern, den sie als Detektiv eingeschätzt hatte. Der Anblick gefiel ihr – das leicht graumelierte Haar, das wettergegerbte Gesicht, die klaren Augen. Und zeichnete sich da unter seiner Lederjacke eine Pistole ab?
»Ja?«, sagte sie.
Er stemmte die Hände in die Hüften und sah sich suchend um. »Ich suche einen Zeitschriftenkiosk. Irgendwas, wo ich
eine Zeitung kaufen kann. Aber diese Anlage ist einfach so groß und ich verlaufe mich dauernd.«
»Tut mir Leid, ich bin selbst erst gerade angekommen«, sagte sie.
»Der Resort ist ganz schön beeindruckend. So etwas habe ich noch nie gesehen. Kommen Sie oft hierher?«
Es klang wie ein Anmach-Spruch, aber sie hatte das Gefühl, dass er es nicht so meinte. »Ich bin zum ersten Mal hier. Stellen Sie sich vor, ich habe ein Preisausschreiben gewonnen, von dem ich nicht mal mehr weiß, dass ich daran teilgenommen habe! Eine Woche Aufenthalt in The Grove.«
Er schaute auf die exotische Umgebung. »Die Eigentümer müssen reich sein.«
Coco zuckte mit den Achseln. »Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nichts über die Eigentümer.«
Er sah sie durch seine silberne Sonnenbrille genau an. »Abby Tyler ist ihr Name, glaube
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