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Wilder Wein

Wilder Wein

Titel: Wilder Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geht, muß des Lokals verwiesen (vulgo: hinausgeworfen) werden. Diese Aufgabe können naturgemäß nur Leute mit starken Muskeln erfüllen. Im Volksmund heißen sie ›Rausschmeißer‹. Die körperlichen Kräfte überwiegen bei ihnen die geistigen in der Regel bei weitem.
    Ein solcher Zeitgenosse war der bärenstarke Jean, über den das ›Winzergold‹ verfügte. Alle, die ihn kannten, riefen ihn nur ›Schang‹. Daß er auch noch Küppers hieß, wußten fast nur seine Eltern, die aber längst verstorben waren. Er kam aus Köln. Der Rhein hatte ihn also sozusagen an die Mosel abgetreten. Natürlich hatte er nicht den ganzen Tag damit zu tun, Betrunkene vor die Tür zu setzen. Um keinen Leerlauf zu verzeichnen, betätigte er sich deshalb ganz allgemein als Hausfaktotum, besorgte alles, wozu die anderen keine Lust hatten, und war im übrigen sehr damit beschäftigt, mit seiner gewaltigen stillen Liebe zu Anne Selzer, der Tochter des Chefs, fertig zu werden. Von seiner Seite drohte daher jedem Gefahr, den es danach gelüstete, sich der jungen Dame zu nähern. Letztere bemerkte zwar, daß Jean – oder Schang, wie auch sie ihn rief – an ihr hing, aber sie dachte gewiß nicht im Traum daran, regelrecht geliebt zu werden von einem männlichen Wesen, dem es allerhöchstens zustand, sie par distance anzuhimmeln. Hätte sie geahnt, was wirklich los war, wäre sie bestrebt gewesen, das Ausmaß ihrer Freundlichkeit, deren sich Jean erfreuen durfte und die in ihm immer wieder aberwitzige Hoffnungen nährten, etwas einzuschränken.
    Heute nun saß Jean draußen im Schatten hinter dem Restaurant und schälte Kartoffeln. Das tat er sehr gern, denn dabei hatte er Gelegenheit, in Ruhe nachzudenken.
    »Schang«, hatte die Köchin gesagt, »schlaf mir aber beim Schälen nicht ein, ich brauche die Kartoffeln nicht erst morgen, sondern heute noch zum Abendessen. Schau auf die Uhr, dann weißt du selbst, daß es pressant ist. Dafür kannst du dir das nächste Mal wieder mehr Zeit nehmen.«
    »Ich muß aber auch die Fähre noch im Auge behalten«, hatte Jean erwidert. »Oder nimmt mir das einer ab?«
    Die Antwort der Köchin: »Nein, Schang, das nimmt dir keiner ab. Du bist eben ein wichtiger Mann, aber du schaffst das schon.«
    Aus war's mit der Gelegenheit, in Ruhe nachzudenken. Jean hatte alle Hände – und den Kopf – voll mit anderem zu tun. Gar nicht lange, und auf der gegenüberliegenden Seite der Mosel ratterte die Bimmelbahn in den kleinen Bahnhof. Neue Gäste entquollen den putzigen, alten Waggons. Sie stürmten die Fähre und fächelten sich mit Taschentüchern kühlere Luft zu. Einige sangen schon, sie hatten wohl in der Bahn Flaschen mit sich geführt. Ein Kegelklub lachte über die neuesten – und ältesten – Witze.
    Nachdem die Fähre angelegt hatte, löste sich aus dem großen Pulk eine etwas unsicher wirkende Dame und kam den Weg herauf zum ›Winzergold‹. Alter: Mitte Dreißig. Aussehen: gut. Kleidung: nicht teuer, aber geschmackvoll. Gesamteindruck: vielversprechend.
    Jean hatte den Dauerauftrag, alle, die diesen Weg heraufkamen, danach abzutasten, ob in ihnen potentielle Gäste fürs ›Winzergold‹ zu sehen waren und ob sie einen voraussichtlichen Gewinn oder Verlust für das Lokal darstellten. Er machte das sehr dezent.
    »Wohin?« fragte er die Dame, die darüber etwas überrascht war.
    Da bemerkte Jean, daß er vergessen hatte zu grüßen, und holte dies nach.
    »Ich suche das ›Winzergold‹«, antwortete die Dame. Sie wirkte, wie schon erwähnt, einigermaßen unsicher (oder nervös, konnte man auch sagen).
    »Das ›Winzerjold‹ suchen Sie?«
    »Ja.«
    »Für länger?«
    Unangenehm berührt blickte die Dame den Hausknecht an und fragte ihn: »Wer sind Sie eigentlich?«
    »Der Schang.«
    »Was für ein … Schang?«
    »Der Schang vom ›Winzerjold‹.«
    »Vom ›Winzergold‹?«
    »Vom ›Winzerjold‹, und ich habe das Recht, von Ihnen das Nähere zu erfahren.«
    »Von mir?«
    »Von allen, die ankommen, ob sie nur für ein Stündchen oder zwei essen und trinken wollen, oder ob sie das ausdehnen wollen für länger. Deshalb meine Frage. Verstehen Sie? Ob Sie ein Zimmer wollen? Dann gedenke ich nämlich, mich um das Gepäck von Ihnen zu kümmern.«
    Die Dame hatte einen Koffer mittlerer Größe bei sich. Ihn überließ sie nun Jean, nachdem ihr dieser ein gewisses Bild von sich entworfen hatte.
    »Ich weiß noch nicht, wie lange ich bleibe«, sagte sie dabei.
    »Von was hängt das ab?«
    »Von

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