Wilder Wein
Spaziergang«, sagte Brühe, der auf gar keinem Stuhl saß, »vergaßen wir dann allerdings, über das Bild zu sprechen.«
»Wissen Sie, wozu Sie eine solche Nachzahlung treiben kann, mein Lieber?«
»Vielmehr erkannten wir, daß wir uns lieben und heiraten wollen. Ich erlaube mir deshalb, Sie um die Hand Ihrer Tochter zu bitten.«
»Ich war nahe daran –«
Abruptes Schweigen. Dann ein aufspringender Baptist Selzer, der schrie: »Was war das? Worum bitten Sie? Bin ich wahnsinnig? Oder sind Sie es?«
»Herr Selzer, ich spreche auch im Namen Ihrer Tochter.«
»Meiner Tochter?!« Der Winzer stieß die geballte Faust in die Luft und schüttelte sie. »Meine Tochter ist verlobt! Und zwar mit einem Mann, der für sie in Frage kommt – nicht mit einem Habenichts!«
Er holte tief Atem, blähte sich auf.
»Ich wiederhole, nicht mit einem Habenichts, der sich hier eingeschlichen hat! Jetzt wird mir das klar! Ich –«
Fritz Brühe war blaß geworden. Genau das habe ich erwartet, dachte er erbittert.
»Wer hat sich hier eingeschlichen?« unterbrach er den tobenden Winzer. »Kamen nicht Sie zu mir nach Koblenz? Haben nicht Sie mich engagiert? Ich wußte doch von Ihnen und Ihrem Besitz hier gar nichts!«
»Aber dann stach Ihnen mein Besitz hier sehr rasch in die Augen, nicht wahr?«
Nun platzte auch Brühe der Kragen.
»Ihr Scheißbesitz«, schrie er, »interessiert mich nicht! Was mich interessiert, ist Ihre Tochter!«
»Das glaube ich dir, du Mitgiftjäger, du elender!«
»Das verbitte ich mir!«
»Du Mitgiftjäger, du elender!« wiederholte Selzer, wich aber gleich nach Art vieler Wüteriche ängstlich zurück, da sich ihm Brühe drohend näherte.
»Sagen Sie das nicht noch einmal!«
»Du –«
»Und duzen Sie mich nicht noch einmal, sonst …«
Selzer lief zum Fenster, riß es auf und rief hinaus:
»Schang, Schang, komm her, hier wartet eine Menge Arbeit auf dich!«
Die Tür flog auf. Auf der Schwelle stand aber nicht Schang, sondern Anne, herbeigelockt vom Gebrüll ihres Vaters und zuletzt auch Brühes.
»Was ist hier los?« stieß sie hervor, die Tür hinter sich zustoßend.
Der Winzer atmete schwer. Er mühte sich, seine Beherrschung zurückzugewinnen. Anne blickte zwischen ihm und Brühe hin und her.
Draußen wurden wieder eilige Schritte laut. Noch einmal flog die Tür auf, Schang erschien.
»Schang«, empfing ihn, auf Brühe zeigend, der Winzer, »wirf den raus hier! Aber gleich so, daß er zusammen mit seinen Sachen für immer verschwindet! Sein Honorar wird ihm per Scheck nachgesandt!«
»Auf Ihr Honorar pfeife ich!« ließ sich Brühe vernehmen.
»Darauf pfeifst du nicht!« rief Anne. »Das sähe dir wieder einmal ähnlich!«
»Schang«, wiederholte der Winzer, »wirf den raus! Wie oft muß ich dir das noch sagen?«
Schang machte einen Schritt auf Brühe zu. Anne trat rasch zwischen die beiden.
»Schang«, sagte sie erregt, »das tust du nicht!«
Schang blieb stehen.
»Schang«, fragte ihn der Winzer scharf, »auf wen hörst du? Auf die oder auf mich?«
Was er daraufhin erlebte, war ein kleiner Weltuntergang für ihn.
»Auf Fräulein Anne«, erwiderte Schang, das Mädchen anstrahlend.
»Du kannst gehen«, sagte Anne zu ihm. »Laß dir von Herrn Gollwitzer ein Glas Wein geben.«
Willig verließ der Riese das Zimmer, ohne dem Winzer noch einmal einen Blick zu schenken. Doch er war nicht der einzige, der das Feld räumte. Auch Fritz Brühe zögerte nicht, Schangs Beispiel zu folgen und sich zur Tür zu wenden.
»Ich habe hier nichts mehr verloren«, sagte er dabei. »Dieses ganze Wehlen ist kein Platz für mich und wird niemals einer sein. Mach's gut, Anne.«
»Fritz!« rief sie ihm nach, doch er blieb nicht stehen, und sie versuchte auch kein zweites Mal mehr, ihn zurückzurufen. Das muß alles anders erledigt werden, dachte sie.
Fritz Brühe alias Frédéric Bruhère verließ noch in derselben Stunde Wehlen und fuhr heim nach Koblenz.
»So, das hätten wir hinter uns«, sagte Selzer aufatmend zu seiner Tochter, als sich die Tür hinter Brühe geschlossen hatte.
Anne funkelte ihn an.
»Setz dich doch«, forderte er sie auf.
Sie fuhr noch eine Weile fort, ihn stumm anzufunkeln.
»Weißt du, was der jetzt macht?« fragte sie ihn schließlich.
»Setz dich doch.«
»Der fährt nach Koblenz.«
»Hoffentlich.«
»Und zwar unwiderruflich.«
»Hoffentlich«, sagte Selzer etwas lauter noch einmal.
»Und weißt du, was ich tun werde, lieber Vater?«
»Was?«
»Ihm
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