Wildes Begehren
Ihnen das gleiche Problem haben? Wenn er mich mit Nachnamen anredet, fühle ich mich so alt.«
»Es beweist nur seinen Respekt.«
»Soll er doch Imelda respektieren. Sie scheint das zu brauchen. Am liebsten wäre ich einfach nur Alberto, der Hobbygärtner.«
»Sie sind Gärtner?«
»Ich liebe es, mit den Händen zu arbeiten. Mein Sohn und meine Enkelin haben nie verstanden, warum ich so am Land hänge und mir ständig die Finger schmutzig mache.«
»Und ich liebe Pflanzen«, sagte Isabeau. »Eines Tages werde ich auch einen Garten haben. Im Moment katalogisiere ich die Heilpflanzen, die im Regenwald zu finden sind. Ich habe hier und in Borneo geforscht. Als Nächstes würde ich gern nach Costa Rica gehen. Die Wirkungsweisen dieser Pflanzen sind ganz erstaunlich. Die Menschen haben ja keine Ahnung, wie wichtig sie für die Herstellung von Medikamenten sind, und der Regenwald schrumpft viel zu schnell. Wir werden diese Schätze der Natur verlieren, wenn wir nicht bald …« Mit einem kleinen Lachen brach sie wieder ab. »Tut mir leid. Manchmal geht mein Temperament mit mir durch.«
Harry beugte sich vor und öffnete die Fenstertüren zum Garten. Isabeau hielt sie auf, damit er Alberto hindurchschieben konnte. Der Garten war riesengroß, feucht und leuchtend grün. Die Kronen hoch aufragender Bäume verdeckten
den Nachthimmel. Isabeau ging zu der Bank, die von der Seite des Waldes, in der Jeremiah versteckt war, am besten zu sehen war. So hatte er sie alle im Blick, und mit diesem Wissen fühlte sie sich etwas sicherer.
Ein kleiner, künstlich angelegter Bach plätscherte über Steine, wand sich durch den Garten und speiste schließlich eine Reihe von kleinen Wasserfällen. Beim Rauschen des Wassers spannte Isabeaus Körper sich kaum merklich an, denn sie fühlte sich an die Nächte mit Conner erinnert. Sie atmete tief ein und aus und nahm den Duft von Rosen und Lavendel wahr.
Verschiedene filigrane Farne säumten den Wasserlauf, und Blumen verwandelten eine Uferböschung dort in ein leuchtendes Farbenmeer. Die meisten Pflanzen waren Isabeau bekannt, doch sie staunte, wie wunderschön sie arrangiert waren. »Philip muss einen außergewöhnlich guten Gärtner haben. Sehen Sie nur, wie durchdacht alles ist. Das ist mehr als nur schön.«
Alberto strahlte. »Freut mich, dass es Ihnen gefällt.«
Verwundert wandte Isabeau den Kopf. »Sie? Sie haben diesen Garten geplant?«
Alberto neigte den Kopf. »Ich sagte doch, dass ich Hobbygärtner bin.«
»Sie sind sehr talentiert, ein echter Künstler, Mr. Cortez.«
Alberto begann zu lachen, und Harry fiel ein.
Isabeau grinste nur. »Tut mir leid, Harry hat mich bestochen, damit ich das sage.«
Alberto prustete vor Lachen. »Sie sind eine wahre Freude für einen alten Mann wie mich, Isabeau. Ich schätze, ich bin zu viel allein. Schauen Sie sich nur in Ruhe um und sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen?«
»Nicht das Geringste. Ich kenne ja schon alles, nicht wahr? Ich möchte nur Ihr Gesicht sehen, wenn Sie die verschiedenen Pflanzen entdecken. Ich schätze, Sie können diese Anlage besser beurteilen als jeder andere.«
Pflanzen waren Isabeaus Schwäche. Sie konnte der Einladung nicht widerstehen. Außerdem war sie neugierig.
»Der Garten umfasst einen ganzen Morgen. Der Bach windet sich über das ganze Gelände, und das Terrain ist hügelig, das habe ich mir bei der Planung zunutze gemacht«, erklärte Alberto. »Ich wollte, dass alles natürlich, aber gepflegt aussieht.«
»Haben Sie zu Hause auch so einen Garten?«
»So ähnlich. Er ist nur nicht vom Regenwald abgetrennt. Ich habe einfach das genommen, was normalerweise dort wächst und es ein wenig geordnet.«
Harry schnaubte spöttisch. »Das stimmt nicht ganz, Miss Isabeau. So etwas haben Sie noch nie gesehen. Sein Garten ist noch viel schöner als dieser. Er ist voller Orchideen. Sie hängen wie Blumengirlanden von den Ästen und winden sich um die Stämme. Selbst die Bäume und Schlingpflanzen werden in Form gehalten …«
Alberto tätschelte Harrys Arm. »Ich habe einen Gartenliebhaber aus ihm gemacht.«
»Mir blieb keine andere Wahl«, gestand Harry.
»Er ersetzt mir die Beine«, sagte Alberto. »Nachdem ich auf den Rollstuhl angewiesen war, dachte ich, es wäre vorbei mit der Gärtnerei, doch Harry hat einen Weg gefunden, wie ich weiter meinem Hobby nachgehen kann.«
Harry zuckte die Achseln. »Ich will jetzt nicht behaupten, dass es mir Spaß macht. Obwohl er
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