Wildes Begehren
das gern hören würde.
Aber irgendetwas muss ich schließlich in der Hand haben, um meine Gehaltserhöhungen durchzusetzen.«
Isabeau lachte über seinen trockenen Ton. »In Ordnung, ich gehe mal herum und schaue, was Sie gemacht haben. Ich wette, ich kenne die meisten Pflanzen.«
»Ich würde mich gern mit Ihnen über Heilpflanzen für meinen Garten unterhalten«, meinte Alberto. »Aber jetzt gehen Sie erst einmal; wir reden weiter, wenn sie alles gesehen haben.«
Es war offensichtlich, dass er stolz auf den Garten war, und ihn jemandem zeigen wollte, der ihn hoffentlich zu würdigen wusste. Isabeau schlenderte über einen gut ausgetretenen Pfad, der sie zunächst zum südlichsten Ende des Gartens führte. Das war der offenste Teil, und sie wollte, dass Jeremiah nicht nervös wurde, weil sie herumging.
Sie nahm Alberto beim Wort, ließ sich viel Zeit und genoss die nächtlichen Geräusche. In der Ferne konnte sie die wummernde Partymusik hören, doch für sie waren die Insekten und das Flattern unsichtbarer Flügel interessanter – und melodischer. Isabeau fand den Garten wohltuend, und je weiter sie sich von den anderen entfernte, desto sicherer fühlte sie sich. Ihre Katze wurde ruhiger, und ihre Haut hörte auf zu jucken. Außerdem roch es nicht mehr nach Verrat und Verderbtheit. Der Duft von frisch umgegrabener Erde, Blumen und Bäumen ersetzte den der süßlichen Parfums und der böswilligen Atmosphäre im Haus. Vielleicht hatte Alberto ihr Bedürfnis nach Ruhe gespürt und sie mit nach draußen genommen, damit sie Abstand gewinnen konnte. Er war trotz seines Alters ein scharfsinniger Mann.
Im Geiste begann Isabeau, die verschiedenen Pflanzen und ihre Nutzer durchzugehen. Scharlachrote Passionsblumen
zogen den Eremiten-Kolibri an, von dem sie bestäubt wurden. Am Nektar der blühenden Bromelien labten sich verschiedene Fledermausarten. Unzählige Orchideen am Boden und an den Baumstämmen lieferten Nahrung für alle Arten von Vögeln und Insekten, einschließlich der Prachtbiene.
Isabeau blieb stehen, um eine epiphytisch wachsende Beerenart zu bewundern, die mit ihren leuchtend orangefarbenen Blüten und Trichtern zu den Lieblingsblumen der Kolibris zählte. Obwohl diese Art normalerweise hoch oben in den Baumkronen angesiedelt war, hatte Alberto sie bis fast auf den Boden heruntergeholt, was wiederum verschiedenste Kolibris so nah heranlockte, dass man sie beobachten konnte.
Zahlreiche Farne waren größer als sie und bildeten einen wunderschönen, filigranen Dschungel. Auch die Philodendren mit ihren unterschiedlichen Grünschattierungen und den vielen verschiedenen Blattformen – bis hin zu eingekerbten bunten – überragten sie. Der gewundene Pfad führte eine kleine Anhöhe hinauf, wo das Gebüsch wesentlich dichter war. Hier hatten sich kleine Tiere eingenistet. Isabeau konnte ihr Rascheln hören und sie sogar in ihren Verstecken riechen.
Das nächste Pflanzenarrangement gefiel ihr am besten, denn es bestand ausschließlich aus Heilpflanzen. Alberto Cortez hatte sogar die Gurania bignoniaceae aufgetrieben, eine Pflanze, die auf vielfältige Weise verwendet werden konnte. Die Blätter und Blüten wurden zerstoßen und auf Kratzer und Wunden gelegt, die nicht heilen wollten, was bei der Feuchtigkeit im Regenwald häufiger vorkam. Sie konnten aber auch als Tee aufgebrüht und getrunken werden,
um Würmer und Parasiten loszuwerden. Die zerstoßenen Blüten allein wurden als Wickel um infizierte Wunden gebunden. Und dazu kam noch ein halbes Dutzend weiterer Einsatzmöglichkeiten bei verschiedensten Leiden, obwohl die Wurzeln der Pflanzen, je nach Standort, giftig sein konnten.
Isabeau runzelte die Stirn, als sie die große Anzahl von Brechnussgewächsen sah, die zur Herstellung des starken Curaregifts für die Pfeile der Blasrohre gebraucht wurden. Es gab Hunderte von Pflanzen, giftige und heilende, bunt durcheinander. Sie entdeckte sogar die, die Adans Stammesleute als Gegenmittel für das Froschgift benutzten, mit dem sie ihre Pfeile tränkten, wenn versehentlich etwas von dem Gift auf ihre Haut getropft war.
Der Garten hatte von kleinen Büschen bis zu exotischen Blumen alles zu bieten. Isabeau fand sogar ein kleines Beet mit Gänseblümchen, das ihr ausnehmend gut gefiel. Neben den wesentlich auffälligeren Paradiesvogelblumen wirkte es zwar ein wenig unscheinbar, doch die schlichte Schönheit der Gänseblümchen rührte sie.
Sie ging an dem kleinen Beet mit den einfachen Blumen entlang.
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