Wildes Begehren
tödliche Glitzern in Conners kalten Augen brachte ihr Herz zum Hämmern. Langsam, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, nahm er die Hand von ihrem Mund und hob einen Finger.
Selbst wenn sie es gewollt hätte, Isabeau hätte sich nicht rühren können. Sie war wie hypnotisiert – völlig gebannt von seinem unverwandten Blick. Sie wusste, dass Großkatzen so etwas fertigbrachten. Ihr Starren war so lähmend, dass die anvisierte Beute fasziniert stillhielt und nur noch auf den tödlichen Schlag wartete. Sie konnte kaum atmen, war wie angewurzelt, gefangen in seinem Bann. Unfähig,
sich ihm zu widersetzen, blieb sie absolut steif und stumm stehen.
Langsam ließ Conner den Blick zu den zwei Männern gleiten, die über die Lichtung auf die Hütte zu gingen. Ohne den Kopf zu drehen, weil sie Angst hatte, irgendeine Bewegung zu machen, sah Isabeau zu ihnen hinüber und hielt den Atem an. Sie spürte, wie Conner, der völlig reglos neben ihr stand, alle Muskeln sprungbereit anspannte.
Mit Blasrohren in den Händen, die Aufmerksamkeit wie gewohnt auf den umliegenden Wald gerichtet, gingen die beiden Männer vorsichtig weiter. Isabeau hatte oft gesehen, mit welcher Leichtigkeit sie sich durch dichtes Unterholz bewegten. Als ein Leopard hustete, blieben die zwei Rücken an Rücken stehen und hoben die Waffen. Ein anderer Leopard antwortete aus einem Gebüsch vor ihnen. Ein dritter meldete sich zu ihrer Linken. Auch Conner gab ein dumpfes Knurren von sich. Rios Schnauben kam aus dem Rücken der Männer und verriet ihnen, dass ihnen nicht nur der Fluchtweg abgeschnitten war, sondern dass man sie umzingelt hatte.
Langsam legte Gerald sein Blasrohr auf den Boden und hob die Hände, in einer Hand hielt er ein Buch. Als sein Neffe zögerte, fuhr er ihn barsch an, sodass der Jüngere mürrisch sein Blasrohr neben das des Onkels legte. Dann warteten beide mit erhobenen Händen.
»Bleib hier«, sagte Conner warnend. »Wenn sie eine falsche Bewegung in deine Richtung machen, kann ich ihnen nicht mehr helfen.«
»Aber das sind Freunde von mir«, protestierte Isabeau.
»Bei der Arbeit gibt es keine Freunde. Vielleicht haben sie mittlerweile ihre Meinung geändert und möchten die
Angelegenheit anders regeln. Tu einfach, was ich dir sage, und bleib versteckt. Lass mich mit ihnen reden. Falls irgendetwas schiefgeht, wirf dich auf den Boden und halt dir die Augen zu. Und, Isabeau …«, Conner wartete, bis sie ihn ansah, »besser, du gehorchst diesmal.«
Sie nickte folgsam. Den Anblick, wie zwei ihrer Freunde von Leoparden zerfleischt wurden, wollte sie sich ganz bestimmt ersparen.
Conner trat aus dem Gebüsch auf die Lichtung. »Gerald. Dein Bruder hat dich nicht angekündigt.«
Die beiden Männer drehten sich zu ihm um; der ältere behielt die Hände oben, doch der jüngere duckte sich unwillkürlich und griff nach seinem Blasrohr.
»Du wirst es nicht schaffen, Will«, sagte Conner. »Und du weißt es. Wenn du es hochnimmst, bist du ein toter Mann, das garantiere ich dir.«
Ärgerlich schimpfte Gerald in der Stammessprache mit seinem Neffen. Conner hatte als Kind genug Zeit im Indianerdorf verbracht, um ihn zu verstehen, tat aber höflich so, als verstünde er nicht, dass Will eine heftige Standpauke gehalten wurde. Er und Will waren einmal Freunde gewesen – gute Freunde, aber das war lange her.
»Wir dachten, du solltest die Wahrheit wissen, ehe du zu dieser Mission aufbrichst«, rief Gerald Conner zu. »Adan hat mich geschickt, damit ich dir das Tagebuch deiner Mutter bringe.«
»Warum hat Adan es nicht selbst mitgebracht?«
»Es war noch bei meiner Mutter«, erklärte Will. »Marisa hat es ihr in die Hand gedrückt, als der Angriff begann, und die hatte es vor Schreck irgendwo fallenlassen. Es ist ihr erst später wieder eingefallen, und da war Adan schon fort.«
Conner blieb still stehen, beinah wie erstarrt, und zwang sich ruhig weiterzuatmen. Er wusste, dass seine Mutter ein Tagebuch geführt hatte. Als Kind hatte er sie beinahe täglich hineinschreiben sehen. Sie hatte das Spiel mit Wörtern geliebt und häufig Gedichte oder Kurzgeschichten verfasst. Will rief Erinnerungen wach, die in dieser bedrohlichen Situation mitten im Regenwald besser unterdrückt blieben, doch seine Erklärung war plausibel.
»Wir müssen dir einiges erklären«, bemerkte Gerald. »Und das Tagebuch deiner Mutter wird dir beweisen, dass ich die Wahrheit sage.«
Conner machte ihm ein Zeichen, die Hände herunterzunehmen. »Wir müssen
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