Wildes Blut
Als er von Tamaulipas nach Nordosten ritt, hatte er so viel sinnlose Zerstörung in dem Land gesehen, das einst so reich und schön gewesen war, dass es ihm den Magen umdrehte.
Die dicken weißen Mauern der Pueblokirchen waren rußgeschwärzt und verfallen, die kleineren Gebäude nur noch Ruinen. Gestrüpp wuchs an den Straßen, wo einst kleine Gärten liebevoll gepflegt worden waren.
Wo immer Kaiser Maximilians Truppen vorüberritten, rächten sie sich fürchterlich an der Bevölkerung, die Präsident Benito Juarez und seine Republik begeistert unterstützte.
Kaiserliche Streitkräfte brannten Rebellendörfer nieder und vergifteten das Trinkwasser, so dass das Gebiet unbewohnbar wurde. Wenn sie fort waren, kehrten die Peons zurück und kämpften verbissen um ihr klägliches Überleben zwischen Ruinen.
Die brutalsten unter Maximilians Soldaten waren die contreguerillas, kleine Banden, die sich hauptsächlich aus fremden Söldne rn und ein paar mexikanischen Imperialisten zusammensetzten. Er war nur zu vertraut mit der Vorgehensweise der contre-guerillas. Er war mit ihnen geritten, bis er den Brief erhielt, heimzukehren und seine Zeit als Soldat sich ihrem Ende zuneigte.
Während des Rittes nach Gran Sangre hatte er sich gefragt, was ihn am Ende dieser Reise erwarten würde. Die weitläufige Hazienda war eine Art feudales Königreich, der üppigen Einsamkeit des südlichen Sonora abgerungen, vier Millionen Morgen besten Weide- und Waldlandes. Fünf Generationen von Alvarados hatten die blaublütigen Patrons gestellt, nach denen es benannt war. Dieses blaue Blut des königlichen Spaniens floss in ihren Adern - und in den seinen.
Die Hazienda der Alvarados war Land, das zunächst dem Wild und den Wölfen gehört hatte, den Berglöwen und Jaguaren. Es war wild und bergig, saftige grüne Täler lagen zwischen Hängen, auf denen Walnussbäume, Maulbeerbäume und Knien wuchsen. Indianer vom Stamme der Mayos durchzogen das Land, jagten die Viehherden und vor allem die Vollblutpferde, die die reichen hacendados züchteten. Aber nichts von alledem, was die Indianer taten, kam der Zerstörung durch den Bürgerkrieg gleich.
Es dämmerte bereits, als das große Haus endlich in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne vor ihm lag. Es war noch unzerstört, ein beeindruckender Ziegelbau, zwei Stockwerke hoch, hundert Fuß lang, mit einem großen Innenhof.
Das Wasser aus einem Springbrunnen beschrieb einen hohen Bogen und glänzte silbern im schwächer werdenden Licht.
Kunstvoll verzierte Eisengitter waren vor den großen, hohen Fenster angebracht und verminderten den Eindruck, vor einer Festung zu stehen, wie ihn die dicken Außenwände vermittelten.
Er hatte Peltre, seinen großen grauen Hengst, den gewundenen, felsigen Pfad ins Tal hinuntergetrieben, wo ein streng aussehender Halbindianer drei Milchkühe zu einem langen, niedrigen Stall an der Westseite des großen Hauses führte.
Beim Huf schlag des herannahenden Pferdes hob der Mann den Kopf und spähte unter der breiten Krempe seines Strohsombreros hervor. Sein gewöhnlich ausdrucksloses Gesicht zeigte Erstaunen. "Don Lucero, sind Sie es wirklich?" Er nahm rasch den Hut ab, mit einer Bewegung, die zugleich seltsam ungeschickt und doch höflich war.
"Hilario? Die Jahre haben deine Sehkraft nicht vermindert, alter Mann. Wie kommt es, dass der beste Zureiter meines Vaters dazu verdammt ist, Milchkühe zu hüten?"
Hilario senkte sein ergrautes Haupt, zuckte missbilligend die Schultern und benutzte seinen Hut dazu, das Vieh den Pfad entlangzutreiben. "Seit die Kaiserlichen da waren und die besten Pferde im Stall mitgenommen haben, arbeite ich zu Fuß. Die wenigen Pferde, die uns geblieben sind, halten wir versteckt.
Beide Seiten brauchen Pferde zum Reiten und Rinder zum Essen. Diese alten hier konnten sie nicht brauchen, sonst müssten wir auch noch ohne Milch auskommen. Es tut mir leid wegen des Todes des Patrons", sagte er und bekreuzigte sich.
"Es ist gut, dass Sie zurückgekehrt sind, Don Lucero."
"Die Zeiten sind schwer seit dem Tod meines Vaters, nicht wahr?"
"Ja, Senor."
Ehe er dem alten Mann weitere Fragen stellen konnte, hörten sie einen Aufschrei. Ein junges Mädchen von vierzehn oder fünfzehn Jahren starrte ihn einen Augenblick lang an, dann wandte sie sich um und rannte zum Haus, laut nach der Patrona rufend.
Lucero verzog die schöngeschwungenen Lippen zu einem Lächeln. "Es scheint, dass meine Gemahlin mich erwartet." Er nickte Hilario zu und
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