Wildes Blut
nötigte Peltre, im Trab an das vordere Tor zu reiten. Diener kamen aus den verschiedenen Gebäuden, die an seinem Weg lagen, und scharten sich um den großen Hengst.
In ihren braunen Gesichtern spiegelte sich die Erregung darüber, dass der einzige Erbe der Hazienda heimgekehrt war.
Einige begrüßte er mit Namen. Eine große, dralle Frau mittleren Alters, mit eisengrauem Haar, das ihr in zwei dicken Zöpfen den Rücken hinunterhing, musterte ihn von der Steintreppe des Räucherhauses aus. In ihren großen, kräftigen Händen hielt sie einen Schinken. Ihre scharfen dunklen Augen ruhten prüfend auf dem staubigen jungen Patron, und er lächelte.
"Angelina. Du änderst dich nie. Würdest du heute Abend ein Festmahl bereiten, um die Ankunft des verlorenen Sohnes zu feiern?"
"Aber natürlich, Don Lucero. Ich will Ihnen zu Ehren diesen herrlichen Schinken braten. Die Herrin wird sehr überrascht sein, dass Ihr so ohne Vorankündigung zurückkehrt."
"Es gibt in einem Krieg nur selten Gelegenheit zu schreiben, und noch geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Briefe ihr Ziel erreichen." Er zuckte die Achseln und wandte sic h von ihrem durchdringenden Blick ab. Es war ihm nicht entgangen, dass die meisten der Diener alte, schwache Männer waren und nur wenige Frauen und Kinder sich unter ihnen befanden.
Der Krieg hatte seine gierigen Hände bis in diese nördliche Wildnis ausgestreckt und die Blüte der Jugend geholt. Wie viele hatte er sterben sehen, als Kanonenfutter vor den modernen französischen Waffen. Oder in die kaiserliche Armee gepreßt, um dann bei Guerillaangriffen von den eigenen Leuten getötet zu werden. Doch als er sich den vorderen Stufen des Familiensitzes der Alvarados näherte, dachte er nicht mehr an die Tragödien des Krieges. Diese große, weitläufige Hazienda gehörte ihm!
Lucero schüttelte den Kopf, um sich aus seinen Träumen zu befreien, bewegte sich in dem Zuber und betrachtete das Herrenzimmer, in dem er sich jetzt niedergelassen hatte. Die massiven dunklen Eichenmöbel waren im achtzehnten Jahrhundert aus Spanien gebracht worden. Sie waren von Kerben und Kratzern gezeichnet, und eine Staubschicht lag auf der kompliziert geschnitzten Oberfläche. Die schweren blauen Vorhänge waren ebenfalls brüchig. Die Täbris-Teppiche hatten einst ein Vermögen gekostet, aber jetzt waren sie fleckig und fadenscheinig. Der Raum wirkte alt und vernachlässigt.
Hatte Mercedes ihn aus Trotz verschlossen? Bei dem Gedanken an sie ließ er seinen Blick zu dem breiten Bett in der Mitte des Raumes schweifen. Seit fünf Generationen waren die Erben von Gran Sangre darauf gezeugt worden. Und er würde seine Pflicht tun, so wie es die Alvarado-Männer seit Jahrzehnten getan hatten, zum Teufel mit Pater Salvador! Voller Sorge dachte er an die bevorstehende Konfrontation mit Mercedes. Was hatte der alte Priester gemeint, als er sagte, Mercedes hätte "ein paar seltsame Ideen" entwickelt und ihre
"Stellung überschritten"? Offensichtlich hatte sie sich in den vergangenen vier Jahren verändert und war nun nicht mehr die sanfte, verschüchterte Jungfrau - und ganz gewiss auch nicht mehr bleich und dünn. Er fragte sich, wie sie zu dem Goldton auf ihrer Haut gekommen war, und stellte Vermutungen an, wie weit sich diese Farbe wohl über ihren sanft gerundeten Leib erstreckte. Sein Körper reagierte auf diese erotische Träumerei, und er fühlte, wie er in dem heißen Wasser hart wurde.
Es hatte während vieler Jahre viele Frauen gegeben, Marketenderinnen, die auf sein Geld aus waren, aber auch hochwohlgeborene Senoras, die der Gedanke, bei einem gefährlichen Söldner zu liegen, in Ekstase versetzte. Einige waren sehr schön gewesen, andere eher gewöhnlich, und einige richtiggehend hässlich. In der Vergangenheit waren nachts alle Katzen grau gewesen. Aber Mercedes war anders.
Oder nicht? Hatte Dona Sofia andeuten wollen, dass die junge Patrona ihr Ehegelübde gebrochen hatte? Nein, gewiss nicht. Er lehnte sich in dem Zuber zurück und dachte darüber nach, wie er beim Abendessen mit ihr umgehen würde.
Während ihr Gemahl badete, dachte auch Mercedes an das bevorstehende Dinner. Es war gut, dass sie so viel zu tun hatte, sonst wären ihre Nerven durchgegangen vor Sorge wegen dieser Angelegenheit. In der Küche fehlte es in dieser Zeit immer an Arbeitskräften, und seit Innocencia fort war, musste die Patrona Angelina helfen. Während die alte Frau frisches Maismehl für Tortillas und Chili mahlte, begoss
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