Wildes Herz
hatte, wenn sie ihn schließlich erreichten.
6. Kapitel
Ty erwachte. Die Sonne schien ihm mitten ins Gesicht. In der Nähe hörte er das vertraute Geräusch eines grasenden Pferdes. Er wandte den Kopf und wollte nach Blackbird sehen. Mit dem Schmerz kehrte die Erinnerung zurück - an den Tod des Pferdes, an seine Gefangennahme durch Cascabel, das Spießrutenlaufen, seine Verletzungen, die endlose Flucht zu Fuß und an das grauäugige Kind, das allein in der Wildnis lebte und seine Wunden versorgt hatte. Ty erinnerte sich schwach. Er hatte auf dem Rücken der graubraunen Stute mit dem schwarzen Streifen gesessen, bis er meinte, er wäre tot und in der Hölle.
Hier war nicht die Hölle. Sicher, er lag unter einem Überhang aus dunkelrotem Gestein. Aber es gab Wasser. Sonst würde das üppige Grün am Talboden nicht gedeihen können. Das Höllenfeuer musste woanders lodern. Die warme Sonne, träge summende Insekten und das Vogelgezwitscher ließen ihn eher glauben, er wäre im Himmel.
Er setzte sich auf, um sich besser umsehen zu können. Sofort überwältigten ihn Schmerz und Übelkeit. Besser, er überdachte seine Meinung über den Aufenthaltsort noch einmal. Auf den Ellenbogen gestützt, sank er zurück und schloss die Augen wieder. Das Tal mochte himmlisch sein, aber mit dem Körper war er in der Hölle gelandet.
„Legen Sie sich hin, Ty. Sie waren krank.“
Er hob die Lider. Graue Augen blickten ihn mitfühlend an. Er stützte sich ab, bis er mit der Hand das Gesicht berühren konnte, das sich über ihn beugte. Die Wange war zart und weich wie Engelsflügel.
„Keine Sorge“, sagte er benommen. „Mir geht es wieder gut.“
„Legen Sie sich hin.“ Janna drückte gegen seine nackte Schultern.
Ohne Erfolg. Er blieb in seiner halb auf dem Ellenbogen ruhenden Haltung.
„Bitte“, drängte sie heiser. „Das Fieber haben Sie überstanden.
Aber Sie brauchen Ruhe.“
„Durst“, murmelte er.
Sie griff nach einer Feldflasche und goss bernsteingoldenen, nach Kräutern duftenden Tee in eine Blechtasse, die sie Ty an den Mund führte. Der Geschmack weckte Erinnerungen. Er hatte oft aus dieser Tasse getrunken, gestützt von schlanken Händen, die ihn anschließend auf den Boden betteten und streichelten, bis er wieder in den Fieberschlaf sank.
Er seufzte tief und erlaubte Janna, ihm beim Hinlegen zu helfen. „Wie lange?“ fragte er.
„Wie lange wir jetzt hier sind?“
Er nickte schwach.
„Vier Tage. Sie waren krank. Beim Ritt durch den Regen haben Sie sich erkältet. Dazu die Verletzungen durch das Spießrutenlaufen ...“ Ihre Stimme brach. Sie streckte die Hand aus und strich eine gewellte schwarze Haarsträhne zurück, die ihm in die Stirn gefallen war.
Er zuckte unter der Berührung zusammen und musterte Janna mit zusammengekniffenen grünen Augen. „Du siehst auch nicht gut aus, so dünn wie du bist. Wenn du so weitermachst, wirst du nie groß und stark.“
„Nicht alle Männer sind gebaut wie ein Bulle“, entgegnete sie verletzt, weil er vor ihr zurückgeschreckt war. Sie griff in ihren Kräuterbeutel, nahm ein Papierbriefchen heraus und streute weißes Pulver in eine zweite Tasse Kräutertee. „Hier. Trinken Sie.“
„Was ist das?“
„Gift.“
„Dreist bist du nicht, wie?“
„Da könnten Sie Recht haben“, murmelte sie kaum hörbar. Stumm gelobte sie, ihm zu zeigen, wie seine Begierde ihn wahnsinnig machte, bevor er begriff, wie ihm geschah.
Er trank den Tee aus und verzog das Gesicht, einen vorwurfsvollen Ausdruck in seinen grünen Augen. „Schmeckt wie Pferdepisse.“
„Das glaube ich gern. Ich habe das Zeug noch nie getrunken.“
Er lachte und griff sich stöhnend an die linke Seite. „Verdammt. Fühlt sich an, als hätte mich ein Maulesel getreten.“
„In ein paar Minuten lässt der Schmerz nach“, versprach Janna und stand auf. „Dann löse ich den Verband und schaue mir die Sache an.“ „Wohin willst du?“
„Nach der Suppe sehen.“
Bei dem Gedanken an ein warmes Essen sammelte sich sofort der
Speichel in seinem Mund.
Sie bemerkte seinen Blick. „Hunger?“
„Ich könnte ein Pferd vertilgen.“
„Dann warne ich Zebra besser vor Ihnen.“
„Das alte Pony wäre mir viel zu zäh.“ Ty legte sich selbstgefällig lächelnd auf die Decken zurück.
Von weitem beobachtete sie, wie seine Lider sich schlossen, die Linien um die Augen weicher wurden und er einschlief. Erst dann kehrte sie zurück, kniete sich neben ihn und zog die Überdecke bis zu
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