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Wildes Herz

Titel: Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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Vorräte brauche, gehe ich nach Lazy A oder Circle G und schreibe Briefe für die Cowboys. Die meisten können nur Brandzeichen erkennen, deshalb lese ich ihnen ihre Post vor. Sie bewahren sie auf, bis jemand wie ich vorbeikommt.“
    Er betrachtete die dichten dunklen Wimpern, die klaren Augen und das fein geschnittene Gesicht. Der Junge war viel zu hübsch, und das machte ihn unruhig. „Wo bist du zur Schule gegangen?“ fragte er rau.
    „Auf dem Vordersitz eines Pferdewagens. Mein Vater war ein studierter Mann und vom Wandertrieb besessen.“
    „Was ist mit deiner Mutter?“
    „Sie starb, als ich zehn war. Mein Vater sagte, ihr Körper hätte den Anforderungen ihres Geistes nicht genügt. “
    Er hob den Löffel an den Mund und hielt inne. Er sah sie mit eindringlichem Blick an. „Wann ist dein Vater gestorben?“
    Janna zögerte. Ihre Gedanken arbeiteten hektisch. Sagte sie Ty, ihr Vater sei vor fünf Jahren gestorben, würde er fragen, wie sie als nicht einmal zehnjähriges Kind allein hatte überleben können. Verriet sie ihm ihre neunzehn Jahre, würde er schnell erkennen, dass der Bursche niemals eine tiefe Stimme, einen Bart und Muskeln haben würde, weil er in Wirklichkeit ein Mädchen in Männerkleidern war.
    „Vater ist vor einigen Jahren gestorben. Wenn man allein hier draußen lebt, verliert man schnell das Zeitgefühl.“
    Ty war verblüfft. „Du hast seit dem Tod deines Vaters allein gelebt? Die ganze Zeit?“
    Janna nickte.
    „Hast du keine Verwandten?“
    „Nein.“
    „Es muss doch Leute in der Stadt geben, für die du gegen Unterkunft und Verpflegung arbeiten könntest.“
    „Ich mag keine Städte.“
    „Auf einer der Viehfarmen würdest du sicher in der Küche oder als Hilfe beim Einzäunen eine Anstellung finden. Verdammt, wenn du einen Mustang zähmen kannst, nimmt dich jeder Pferdezüchter sofort.“ Der Gedanke an ein elternloses Kind, das allein in der Wildnis lebte, verstörte ihn. „Mit dem Einfangen und Zureiten von Wildpferden kannst du ordentlich Geld verdienen.“ „Ich fange keine wilden Pferde“, entgegnete sie tonlos. „Zu viele verweigern das Fressen. Ich habe gesehen, wie sie mit dürren Leibern und glasigem Blick hinter dem Gatter standen.“
    „Die meisten Mustangs gewöhnen sich an Menschen.“
    Janna schüttelte den Kopf. „Ich raube keinem Mustang die Freiheit. Pferde für Frauen und Kinder habe ich ein paar Mal zugeritten, aber diese Tiere wurden auf einer Ranch geboren und sind dort aufgewachsen.“
    „Im Überlebenskampf muss ein Mann manchmal Dinge tun, die er nicht will.“ Tys Augen wurden schmal beim Ansturm schmerzlicher Erinnerungen.    
    „Bis jetzt habe ich in dieser Hinsicht Glück gehabt“, sagte sie ruhig. „Noch Suppe?“
    Als würde er aus weiter Entfernung zurückgerufen, richtete er den Blick wieder auf sie. „Danke, gem.“ Er reichte ihr den Teller. „Wie wär’s, wenn du mir vorliest, während ich esse?“
    „Gem. Was möchten Sie hören?“
    „Hast du Romeo und Julia?“
    „Ja.“
    „Dann lies mir vor von einer Frau, schöner als die Morgenröte.“ Ty schloss lächelnd die Augen. „Eine vornehme Dame, ganz in Seide gekleidet und mit einem Wesen, das sanfter ist als der Sommerwind, mit hellem Haar, magnolienweißer Haut und zarten Händen, die nie gröbere Dinge berühren als die Tasten eines Flügels, auf dem sie Chopin spielt...“
    „Wie heißt sie?“ fragte Janna angespannt.
    „Wer?“
    „Die in Seide gekleidete Dame, von der Sie sprechen.“
    „Silver MacKenzie, die Frau meines Bruders.“ Er schlug die Augen auf. Sie wirkten klar und hart. „In England leben noch mehr Frauen wie sie. Eine davon werde ich mir holen.“
    Janna stand jäh auf. Einige Minuten später kehrte sie zurück. Unter ihrem linken Arm klemmte ein dickes Buch; in der rechten Hand trug sie eine Schale mit Suppe. Sie reichte Ty die Suppe, öffnete das abgenutzte Buch, Romeo und Julia, 2. Aufzug, 2. Szene, und las:
    Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?
    Es ist der Ost und Julia die Sonne!

7. Kapitel
    Dieser Tag bestimmte, wie sie die nächsten zwei Wochen verbrachten. Wenn Janna glaubte, dass Ty sich überanstrengte in seinem Bemühen, ganz gesund zu werden, holte sie die Bibel, die Werke von Shakespeare, die Gedichte von Dante, Milton oder Pope und las ihm vor. Er durchschaute die Absicht und ließ sie gewähren. Den „Burschen“ mit der tatsächlichen Bedeutung von Ausdrücken aus dem Hohelied von Salomon oder aus Popes

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