Wildes Herz
entlang der Körpermitte. Unten wurde der Haarwuchs dichter, verbreiterte sich an den Lenden und rahmte die wesentlichen Merkmale ein, die einen Mann von einer Frau unterschieden.
Janna blickte hastig zur Seite. Sie holte tief Luft, obwohl die Lungen schmerzten. Ihr war, als würde sie ohnmächtig.
Warum benehme ich mich wie eine dumme Gans? Ich habe schon früher einen nackten Mann gesehen.
Aber sich waschende Cowboys an einsamen Wasserlöchern oder nur mit Schnüren und wehenden Stofflappen bekleidete Indianer, die tanzten, waren nicht der gleiche Anblick wie dieser muskulöse, nackte Mann, der gelassen und ruhig nur wenige Zentimeter von ihr entfernt saß.
„He, Junge“, sagte er leise. „Was hast du? Alles in Ordnung? Du siehst blass aus.“
„Alles in Ordnung.“ Janna schluckte. „Mein Name ist... Jan Wayland“, sagte sie heiser. „Nicht,Junge.“
„Aha, Jan.“ Vorsichtig löste Ty den Verband von seinem rechten Fuß. „Mein Großvater mütterlicherseits hieß Jan. Er war ein riesiger, breitschultriger Schwede mit einem Lachen, das man bis ins nächste County hörte. Mutter sagte immer, ich würde ihm nachschlagen.“ „Groß genug sind Sie“, entgegnete Janna trocken. „Aber das Lachen würde ich mir verkneifen, solange Cascabel hier herumschleicht.“
Er fluchte halblaut. Der Stoffstreifen ließ sich nicht von seiner Fußsohle lösen. „Übrigens, ich heiße Tyrell MacKenzie. Aber alle nennen mich Ty.“ Er blickte lächelnd zu dem langbeinigen, dürren Burschen hoch. „Und was die Größe betrifft, sei unbesorgt, Ju... Jan. Du wirst früh genug erwachsen und kriegst Muskeln. Warte, bis du dich zum ersten Mal rasieren musst.“
„Wer’s glaubt“, murmelte Janna.
Ty hörte sie. Er lächelte breit und schlug ihr brüderlich auf das Knie. „In deinem Alter ging es mir genauso. Ich dachte, meinen älteren Bruder Logan hole ich nie ein. Dann schaffte ich es doch. Das heißt, beinahe. Niemand ist so groß und stark wie Logan.“ Er zwinkerte. „Bei den Frauen hatte ich eine Menge mehr Glück.“
Diese Nachricht hellte Jannas Stimmung nicht auf. Sie sah die verzückten Frauen vor sich, wie sie den gewaschenen und sauber gekleideten Tyrell MacKenzie anhimmelten. Bereits die dreckige, zerkratzte und unbekleidete Ausgabe ließ ihren Puls gefährlich ansteigen. Was sie ärgerte. Ihre Anwesenheit schien nicht die geringste Wirkung auf Ty zu haben.
Du wirst noch früh genug erwachsen und kriegst Muskeln. 'Warte, bis du dich zum ersten Mal rasieren musst.
Grimmig sagte Janna sich, eines Tages würde sie mit einem Lachen an diesen Ausspruch zurückdenken. Heute war nicht dieser Tag.
Ty machte ein leises Geräusch. Janna blickte auf und schaute ihm in die Augen. Der Schmerz hatte sie verengt. Er schwitzte wieder und hielt die Hände an die Stirn gepresst, als wollte er den Kopf am Zerspringen hindern. Janna streckte ihm helfend den Ann entgegen, augenblicklich ihre Verstimmung vergessend, von ihm nicht als Frau erkannt zu werden.
„Legen Sie sich auf den Rücken.“ Sie drängte seinen Oberkörper nach unten und hielt gleichzeitig seinen Kopf. Er fühlte sich warm an
- wie von der Sonne gewärmtes Felsgestein.
„Im Liegen kann ich Ihre Wunden besser versorgen“, erklärte Janna. „Gestern Abend bin ich nur an Ihre Rückseite gelangt. Ich muss auch die Wunden vom reinigen, sonst entzünden sie sich. Sie bekommen hohes Fieber, werden schwach wie eine verhungerte Katze und können nicht kämpfen.“
Langsam schüttelte Ty den Kopf und verzog wieder das Gesicht. Fürs Erste gab sie den Versuch auf, ihn dazu zu bewegen, sich hinzulegen. „Wie geht es Ihrem Magen?“ fragte sie stattdessen und wickelte mit kräftigem Fingerdruck den Verband wieder um seinen rechten Fuß. „Ist Ihnen übel?“
„Nein.“
Sie blickte prüfend in die glasklaren grünen Augen. Beide Pupillen waren gleich groß.
„Schauen Sie für eine Sekunde in die Sonne.“
Ty warf Janna einen langen Blick zu, dann sah er zum Himmel, wo die Sonne durch einen schmalen Spalt zwischen den Gewitterwolken blinzelte. Als er den Blick wieder abgewandt hatte, betrachtete sie seine Augen. Beide Pupillen hatten sich zum Schutz vor dem Sonnenlicht zusammengezogen.
„Und? Habe ich eine Gehirnerschütterung?“ fragte er mit leisem Spott.
„Kaum, bei Ihrem Dickschädel.“
„Ist das die Meinung eines Fachmanns, Herr Doktor?“
„Vater war der Doktor. Er hat mir vor seinem Tod eine Menge beigebracht.“ Janna schaute ihm
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