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Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Wildhexe 1 - Die Feuerprobe

Titel: Wildhexe 1 - Die Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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einfach zu ungemütlich, wenn man im Liegen so durchgeschüttelt wurde. Ich starrte zwischen den Vordersitzen hindurch und versuchte herauszufinden, wo wir waren. Das Licht der Scheinwerfer hüpfte über Schotterböschungen, Pfützen und hohes, nasses Gras. Der Weg führte mehr oder weniger durch einen tiefen, breiten Graben. Rechts und links davon ging es einen oder zwei Meter steil nach oben, und obwohl es inzwischen aufgehört hatte zu regnen, waren nur wenige Sterne zu sehen, denn wir fuhren durch einen hohen kohlschwarzen Fichtenwald.
    »Sind wir bald da?«, fragte ich.
    »In neun Minuten«, sagte Mama. »Das behauptet zumindest das Navi. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es berücksichtigt hat, was das hier für ein Weg ist.« Sie versuchte, den Kia um ein Schlagloch zu schlängeln, aber wegen der Böschung ging es nicht richtig. Krrrrrr. Irgendetwas schabte gegen den Boden des Autos. Vielleicht wären Helikopter und Schlittenhund doch keine so schlechte Idee gewesen.
    Es dauerte nicht zehn Minuten, sondern eher zwanzig, bis wir endlich nach rechts auf eine kleine Holzbrücke abbogen und vor uns zwischen den Bäumen Licht sehen konnten.
    »Hier muss es sein«, sagte Mama. »Niemand sonst würde so weit weg von Recht und Gesetz dieses Landes leben wollen.«
    Wir fuhren durch ein Gatter über eine Wiese und dann parkte Mama das Auto auf einem kleinen Hof zwischen zwei Gebäuden neben einen uralten Austin Mini mit schwarzen Türen und weißem Dach. Die Häuser waren strohgedeckt, und ihre Mauern waren nicht aus normalen Ziegeln, sondern aus diesen Steinen gebaut, die man öfter auf Feldern findet. Ich glaube, sie heißen sogar Feldsteine. In einem der Häuser brannte Licht, und als Mama die Autotür öffnete, stieg mir der Duft von nasser Erde, Nadelwald und Holzfeuer in die Nase.
    Die Eingangstür war eine dieser Halbtüren, die man manchmal in Ställen sieht. Die obere Hälfte wurde aufgeschlagen und dahinter tauchte eine große, bucklige Gestalt mit langen Indianerzöpfen auf. Nein, Moment. Sie war nicht bucklig. Der Buckel hatte Federn, Augen und Flügel. Es war eine Eule, die uns so interessiert anstarrte, als würde sie darüber nachdenken, ob sie uns zum Frühstück verspeisen konnte.
    »Kommt rein«, sagte die fremde Frau mit der Eule. »Dann will ich sehen, was ich tun kann.«
    Das also war meine Tante Isa.
    In einem großen Zimmer, das in meinen Augen eine merkwürdige Mischung aus Werkstatt und Wohnstube war, hatte Tante Isa den Holzofen angefeuert. Darauf stand ein Topf, der von Zeit zu Zeit blubbernd kleine Wölkchen aus Dampf und scharfen Gerüchen unter dem Deckel hervorstieß. Überall dort, wo kein Fenster war, standen Regale und Schränke an den Wänden. Sie waren nicht nur mit Büchern gefüllt, sondern auch mit Krügen, Gläsern, Werkzeugkästen und reihenweise Körben, die mit Zeitungen ausgestopft waren. Später fand ich heraus, dass in einigen davon Igel und Haselmäuse ihren Winterschlaf hielten. Es gab ein paar unterschiedliche Sessel, zwei lange Tische und eine Hobelbank. Zwei Öllampen spendeten Licht, und nirgends war ein Fernseher zu entdecken.
    Ich lag auf einem zerschlissenen alten Sofa, das nach Hund roch, und obwohl ich zusätzlich zu meiner eigenen Bettdecke noch zwei Wolldecken bekommen hatte, war mir kalt. Tante Isa war sehr lieb zu mir gewesen, aber, wie ich fand, nicht ganz so lieb zu meiner Mutter.
    »Schlaf einfach, wenn du kannst«, sagte sie zu mir. »Hier passiert dir nichts.« Ihre braunen Augen hatten dieselbe Farbe wie Herbstlaub, und aus irgendeinem Grund glaubte ich ihr, was sie sagte.
    »Der Kater …«, flüsterte ich.
    »Hier nicht«, sagte sie. »Hierher kann er nur kommen, wenn ich es ihm erlaube.«
    Es war nicht nötig, ihr irgendetwas zu erklären. Sie wusste es schon. Und obwohl ich keine Ahnung hatte woher, war es eine kolossale Erleichterung, dass sie einfach verstand .
    Meiner Mutter gegenüber klang ihre Stimme ganz anders – so scharf, dass man sich daran hätte schneiden können.
    »Du hättest ruhig etwas früher kommen können.«
    »Wie hätte ich das machen sollen?«, sagte Mama. »Es ist schließlich erst heute morgen passiert.«
    »Ja. Aber sie ist doch im März zwölf geworden, oder nicht?«
    Das war nicht gerade eine schwierige Frage, aber Mama antwortete nicht sofort. Erst dachte ich, dass sie vielleicht genauso verwirrt war wie ich – ich konnte mir nämlich absolut nicht vorstellen, was mein Geburtstag mit der ganzen Sache zu

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