Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie

Waffen und Rechtsanwälte als jedes andere Land der Welt. Könnte man nicht das eine Problem mit dem anderen lösen? Egal, lest alles in Ruhe durch, ich bin gleich wieder da.“
    Jan flüsterte Anna zu, dass Ralph ein komischer Kerl sei. Sie nickte abwesend und begann zu lesen. Auch Jan las und unterzeichnete die vier Dokumente, die Verschwiegenheitspflichten und Haftungsfragen regelten.
    Ralph servierte Kaffee in Tassen unterschiedlicher Größe und Farbe. „Was haben wir denn hier? Die jährliche Industrieausstellung, die Football-Highschool-Meisterschaft und McDonalds.“ Da keiner eine Präferenz äußerte, nahm er sich die Tasse mit dem muskulösen Footballer und lächelte verlegen. „Ich habe früher selbst gespielt, aber eine Profikarriere hat sich nicht angeboten.“
    Er steckte die Dokumente zurück in die Mappe. „Der große Häuptling wird euch nachher im Namen des Staates von Alaska für euren edlen Beistand danken. Ich bin mehr der Mann der vielen als der großen Worte, aber jetzt werde ich eines in den Mund nehmen: Respekt.“ Dabei schaute er ausnahmsweise weder Anna noch Jan, sondern die Mappe an, nickte, warf sie hinter sich auf den Schreibtisch und wandte sich wieder ihnen zu. „Und damit hinein ins Vergnügen. Wir haben seit eurem Hilferuf im Sommer eine der größten Fahndungen eingeleitet, an der ich je teilnehmen durfte, und ich gehöre immerhin seit siebzehn Jahren zu dem Laden. Das Ergebnis? Nullkommafastnichts. Wir haben drei Vorfälle: im Sommer 2010 den Mord an Mr. Refford im Chix-Tal und die Entführung seiner Tochter Sarah, im Sommer 2012 ihre Ermordung, die Entführung von Laura und die Jagd auf euch, bei der euer Freund Michael ums Leben kam, und schließlich die aktuelle Mordserie. Wir haben die Beschreibung von zwei Personen, die dringend verdächtig sind, die Taten im Sommer 2012 begangen zu haben. Wir haben eure Bezeichnungen übernommen: ‚der Einsiedler‘ und ‚Logann, der Indianer‘. Logann ist vermutlich der Handlanger des Einsiedlers. Es ist unklar, ob er sich auch an den Taten im Sommer 2010 und in diesem Winter beteiligt hat. 2011 hatte er vermutlich eine Wohnung in Anchorage gemietet und diese auch unregelmäßig bewohnt. Beim mysteriösen Einsiedler ist davon auszugehen, dass er längere Zeit in der Höhle gelebt hat. Der Brand hat zwar fast alles vernichtet, aber Jennys Schilderung der Einrichtung spricht dafür. Und auch die Abfälle. Einige der Tierknochen in der Spalte, die er als Mülleimer genutzt hat, waren mindestens zwei Jahre alt.“
    Ralph schüttete ein Päckchen Zucker in seinen Kaffee und rührte um. „Ganz auf sich gestellt kann er schon damals nicht gewesen sein. Auch wenn er das Mobiliar selbst angefertigt hat, brauchte er ein Fluggerät, um mit Werkzeug, Waffen und Klamotten ins Tal zu gelangen. Wir haben sämtliche Charter-Dienste abgeklappert. Jeden Dorfplatz, von dem je mehr als der Weihnachtsmann abgehoben ist, haben wir zuplakatiert, als würde Michael Jackson auf seiner Reborn-Tournee vorbeikommen. Vermutlich hat er sich von einem Helfer einfliegen lassen, vielleicht von Logann.“ Für einen Moment schwieg Ralph und grinste. „Wir haben sogar den See ausgelotet, ob er darin sein Wasserflugzeug illegal geparkt hat. So was kann teuer werden.“
    Jan hatte seine Tasse bereits ausgetrunken, als Ralph den ersten Schluck nahm und das Gesicht verzog. „Eines Tages werde ich einen heißen Kaffee trinken, bloß nicht mehr in diesem Leben ... Unsere Arbeitshypothese ist also, dass der Einsiedler eine kriminelle Karriere hinter sich hat, während der er unter anderem die Mädchen in Mexiko ermordete. Ich meine die beiden, die wir auf dem gestickten Tuch identifiziert haben, das Jenny aus der Höhle mitgenommen hat. Anfang 2010 zog er sich in das Chix-Tal zurück, wurde allerdings schon im Sommer darauf rückfällig. Er gab sich mit Sarah zufrieden, bis ihr aufgetaucht seid. Nach eurer Flucht konnte er nicht von Anna lassen und entschloss sich, sie mit den aktuellen Morden herbeizurufen. Es bleiben dabei etliche Ungereimtheiten.“
    Es verunsicherte Jan, wie wenig das FBI herausgefunden hatte. Eine Arbeitshypothese mit Ungereimtheiten? Was für eine Untertreibung! Und mit solch unstimmigen Vermutungen wollte sich das FBI auf ein Spiel mit dem Mörder einlassen – mit Anna als Köder.
    „ Bei Brian Wilken sieht das Bild übrigens nicht viel besser aus.“ Ralph blickte verdrießlich. „Er hatte einen Interessenten für sein Haus im Chix-Tal