Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie
verlorene Liebe.“
„ Oder die Rache. Ich glaube nicht, dass man einen Menschen noch lieben kann, den man 35 Jahre nicht gesehen hat. Dass man jemanden, den man täglich gejagt hat, nach so langer Zeit noch hasst, schon eher. Er ist unglücklich, er hat sein Leben verpfuscht – und Albert ist daran schuld.“
„ Auf jeden Fall ist er ein seltsamer Mensch. Wieso lässt er nicht ab und fängt neu an?“
„ Außerordentlich fähig ist er auch. Die CIA hatte ein gutes Gespür, als sie ihn so früh angeworben hat. Es war bestimmt nicht einfach, diesen Drogenboss zu kidnappen und ihn dazu zu bewegen, vom Komplott zu erzählen. Wenn Oliver jemand in die Hände fällt, der ihn näher an Albert bringen kann, schreckt er vor nichts zurück.“
„ Gut, dass er weiß, dass wir nichts geheim halten.“ Jan zog die Beine an, um die Decke darunterwickeln zu können.
„ Warum er uns wohl befreit hat?“
„ Er wollte Informationen von uns. Wahrscheinlich hat er sich mehr erhofft.“
„ Das kann nicht die Erklärung sein. Wir waren so kurz bei den Gangstern und er konnte sich ausrechnen, dass wir Albert nicht gesehen haben.“
„ Stimmt.“ Jan horchte auf. Wasser lief im Bad.
„ Ich glaube eher, er hat sich uns geholt, weil Albert so viel an uns liegt.“
„ Ich frage mich, ob es ihm reicht, dass er mit unserer Hilfe den Mörder auf dem Foto mit Wilken identifiziert und herausgefunden hat, dass ich Alberts Enkel bin – oder ob er sich etwas einfallen lässt, wie er noch mehr Nutzen aus uns ziehen kann.“
„ Es geht ihm nur um Albert, sonst kennt er nichts. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er im Chix-Tal anwesend war und nicht eingegriffen hat, weil er kein Interesse daran hatte. Möglicherweise wollte er sich nicht zeigen, um Albert nicht vorzuwarnen.“
Jan malte sich aus, wie Oliver aufgetaucht wäre und Logann und den Einsiedler erledigt hätte. „Batman ist zuverlässiger.“
„ Im Ernst, er ist doch Wilken überall hin gefolgt.“
„ Bestimmt nicht rund um die Uhr.“
Nach einer Weile kam Annas Stimme wieder aus der Dunkelheit. „Es ist eine eigenartige Vorstellung, dass die Jagd auf mich ein Täuschungsmanöver gewesen ist. Wie geht es dir mit deinem neuen Großvater?“
„ Ich habe es noch nicht richtig realisiert. Vielleicht auch, weil es keinen Sinn macht. Wieso hat er mich all diesen Gefahren ausgesetzt? Wozu das Drama im Sommer im Chix-Tal? Warum haben sie uns umständlich an einen Ort gelockt, an dem sie schon 2010 ein Verbrechen verübt haben? Und jetzt im Winter hätten sie mich einfach in Deutschland kidnappen können.“
„ Mir geht‘s genauso. Wie ein Kartenhaus, das einem im Kopf zusammenfällt“, murmelte Anna. „Andererseits haben wir Fortschritte gemacht. Vor ein paar Stunden hatten wir noch keine Ahnung, dass es Albert und die Verschwörung gibt – und erst recht nicht, dass du sein Enkel bist.“
„ Du hast recht, wir sind einiges weiter.“
„ Auch in der Art, wie ich mit dir umgehe. Mir ist das schon ein paar Mal durch den Kopf gegangen. Ich habe dich mit deinen Bedenken gegen Ralphs Pläne allein gelassen.“
„ Du hattest Blut geleckt, du –“
„ Das ist keine Entschuldigung. Egal wie wild ich darauf war, den Mörder zu stellen, ich hätte mich irgendwie anders verhalten sollen. Solidarischer. Ganz unabhängig davon, dass du nachträglich gesehen recht behalten hast.“
Jan war erstaunt, wie einsichtig sich Anna zeigte.
8. Kapitel
Die Ritze zwischen den Fensterläden leuchtete im Sonnenlicht. Es musste schon spät am Morgen sein. Jan drehte sich zur Wand und dachte nach. Deutete etwas in ihrer Familienbeziehung darauf hin, dass seine Mutter nicht Omas Tochter war? Tabuzonen? Peinliche Momente? Heimliche Gespräche? Er gab auf und zog sich einen Fleece-Pullover und eine Hose an, die auf dem letzten Loch des Gürtels gerade hielt. Anna lag zusammengerollt, den Kopf unter ihrem Kissen.
Im Wohnzimmer saß Oliver vor einem Laptop am Tisch. Jan wünschte ihm einen guten Morgen und ging ins Bad.
Als er zurück ins Wohnzimmer trat, deckte Anna bereits für das Frühstück. Oliver packte den Laptop in die Tasche neben seinem Stuhl und holte eine Plastiktüte mit Knäckebrot, Käse und Erdnussbutter hervor.
„ Bist du wenigstens ein bisschen zum Schlafen gekommen?“, erkundigte sich Jan.
„ Mhhm“, grummelte Oliver und blieb das Frühstück über stumm. Erst als er hastig gegessen und seinen Kaffee heruntergeschüttet hatte, sagte er: „Dass
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