Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie
nach vorne und glitt auf einen Baum zu.
„ Lenken!“, schrie Oliver. Sie schrammten knapp am Stamm vorbei. Langsam kurvte Jan durch den Wald, bemüht, große Bögen um alle Hindernisse zu schlagen. Mit der Zeit gelang es ihm besser.
Sie gelangten auf eine Kuppe, von der aus sie das Umland einsehen konnten. Weit entfernt verlief eine Straße, wahrscheinlich die gleiche, die in der Nähe ihres Hauses vorbeiführte. Dahinter lagen Berge, dazwischen Hügelland und gefrorene Seen.
„ Da kommen Motorschlitten!“, rief Anna.
Jan drehte sich auf dem Sitz um. Zwei schwarze Punkte, die eine Schneefahne hinter sich herzogen, folgten ihnen.
„ Was jetzt? Wohin?“, fragte Jan hektisch.
Ihre Verfolger verschwanden in einer Kuhle. Krähen flatterten von den Bäumen auf, unter denen die beiden Schlitten gleich hervorbrechen würden.
„ Zu dritt sind wir zu schwer, da holen sie uns ein“, sagte Oliver. „Jan, du setzt uns an einem Busch ab und lockst sie weg.“
„ Nein, wir werden uns nicht trennen“, rief Anna. „Lenk du sie ab.“
„ Wenn ich mit zurückbleibe, kann ich die Verfolger erschießen, falls sie nahe genug an uns vorbeifahren. Und falls sie uns im Busch entdecken, kann ich uns verteidigen. Jan und du, ihr wärt wehrlos.“
Obwohl Jan die Vorstellung hasste, Anna mit Oliver zurückzulassen, gab er Gas. Sie rauschten den Hügel hinab.
„ Fahr zu einem großen Busch“, rief Oliver. „Leg die Spur so, dass sie gerade daran vorbeiführt, und halte an.“
In der Ebene erspähte Jan ein geeignetes Versteck, hielt darauf zu und stoppte. Oliver stellte sich auf den Schlitten und sprang hinter die Deckung.
Anna umarmte Jan, drückte ihre Schneebrille gegen seine, stand auf und machte einen weiten Satz. Die beiden krochen tiefer in das Gebüsch. Annas rote Jacke stach hervor.
„ Ihr müsst Schnee über euch legen“, rief Jan.
„ Fahr!“, schrie Oliver. „Wir kümmern uns um alles.“
Sofort beschleunigte Jan wieder, schoss noch schneller als zuvor zwischen den vereinzelten, schmächtigen Bäumen hindurch, schaute hinter sich, begriff, dass er nichts sehen würde als seine Schneefontäne, und richtete von da an all seine Konzentration nach vorne.
Der Motorschlitten kippte nach rechts und fiel federnd auf die linke Kufe zurück. Er musste ein hohes Risiko in Kauf nehmen, sonst würden ihn die Verfolger zu rasch einholen, zu nahe am Versteck von Anna und Oliver. Entkommen würde er ihnen dennoch nicht. Ganz gleich, wie souverän er sich auf dem Motorschlitten fühlte, mit seinen geübten Verfolgern konnte er es nicht aufnehmen. Seine einzige Chance war, dass sie dicht und möglichst gleichzeitig an Oliver vorbeifuhren, so dass er sie beide erschießen konnte.
Die Minuten flogen dahin, er musste außer Hörweite sein. Er konnte sich nicht erklären, wieso die Verfolger nicht kamen, obwohl keine Schüsse gefallen waren. War er doch schneller als sie?
Am Ufer eines länglichen Sees bremste Jan und lauschte. Nichts war zu hören. Seine Hände zitterten. Die Ruhe war bedrohlich. Er wollte weiter, sich wieder im Rausch der Geschwindigkeit verlieren. Über die flache Böschung jagte er den Schlitten aufs Eis und drückte den Gashebel durch. Der Fahrtwind zerrte an ihm, er beugte sich tiefer. Euphorie mischte sich unter die Angst. Sonst war er ein vorsichtiger Mensch, der beim Mountainbiken die Finger nicht von der Bremse nahm und den Führerschein aufgeschoben hatte. Umso mehr erfasste ihn nun eine heroische Trunkenheit.
Am anderen Ufer versperrte ihm ein Wall aus schillernden Blöcken und Zacken den Weg. Er blickte hinter sich: noch immer keine Verfolger.
Einige hundert Meter weiter seitlich fand er eine Passage und schaffte es mit Mühe, den Schlitten über das hubbelige Eis zu steuern. Vor ihm lag ein kleiner Hügel. Dahinter stieg Rauch in den dunkelblauen Himmel. Jan fuhr das kurze Stück hinauf und sah eine Blockhütte in einer Senke liegen.
Er würde die Polizei rufen! Aber ein Verräter aus dem FBI könnte seine genaue Position an die Gangster durchgeben, und die wären wesentlich schneller bei ihm. Zumindest könnte er nach dem Weg zur Straße fragen, vielleicht würde man ihm sogar eine Waffe überlassen. Aber durfte er die Bewohner in Gefahr bringen? Er zögerte.
Die Hütte war schlicht gebaut: Jede Seite bestand aus einer Reihe übereinandergeschichtet Stämme, die sich an den Ecken überkreuzten. Die Einfachheit erweckte den Eindruck, als habe jemand gerade erst die Bäume geschlagen,
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