Wildnis: Thriller - Band 2 der Trilogie
sie Juanita erschossen haben, hat mir Ralph seine Pistole gegeben und mich angewiesen, in der Röhre zu bleiben. Und als mich Logann aufforderte, ebenfalls herauszukommen, da hat Ralph geschrien: ‚Jan bleibt in der Röhre. Das war –‘, danach muss ihn Logann geschlagen haben.“
„ Logann hat ihn getreten. Du meinst, Ralph wollte rufen: ‚Jan bleibt in der Röhre. Das war so abgemacht‘?“
Sie sahen sich betroffen an.
Anna hielt sich in einer Kurve am Vordersitz fest. „Aber warum hat er seine Rolle bis zuletzt gespielt? Er hätte uns einfach mit der Pistole zurück in den Gang treiben können, als er gesehen hat, dass die Gangster zurückkamen.“
„ Wahrscheinlich hat er sich gedacht, dass die Gangster auf der Flucht von der Polizei gestellt und getötet werden könnten. Dann wäre er mit uns befreit worden und vielleicht nicht aufgeflogen.“
„ Und wenn er wirklich mit den Gangstern verabredet hatte, dass du zurückbleibst ... Nehmen wir an, dass er mit dem Geld, das ihm der Mörder gezahlt haben muss, untertauchen wollte – und dass man von mir nie wieder etwas hören würde. Dann dürfte ihm daran gelegen haben, dass ihn seine Familie und Freunde für einen tapferen Agenten hielten, der im Dienst verschollen war. Die Geschichte solltest du bestätigen.“
Jan war schockiert. Wie hatte Ralph in Kauf nehmen können, dass Menschen getötet würden, die unter sein Kommando gestellt oder seinem Schutz anvertraut waren? Und wie hatte Ralph sie so täuschen können?
„ Er hat sich sein eigenes Grab geschaufelt“, sagte Anna.
„ Wer sagt euch, dass Ralph nicht ein bisschen rumgeschrien hat und mit einem Fallschirm abgesprungen ist?“, meldete sich Oliver. „Oder er wurde an einem Seil herabgelassen und der Hubschrauber ist tief genug gegangen, um ihn abzusetzen. Auf einem freien Schneefeld muss er dafür nicht einmal in der Luft stehenbleiben. Vermutlich hat er es sich noch bequemer gemacht und ist im Hubschrauber geblieben ... Ich glaube nicht, dass die Verschwörer ihn loswerden wollten. Ralph ist viel nützlicher, wenn er von einer Südseeinsel fröhliche Botschaften schickt, wie verlässlich und großzügig die Verschwörer sind. Wahrscheinlich haben sie noch mehr Kollaborateure im FBI, mit denen sie sich gutstellen wollen.“
Jan reflektierte die beiden Tage, die sie mit Ralph verbracht hatten. Nachträglich schien es ihm, dass Ralph sie gelegentlich traurig betrachtet hatte. Jan hatte diese seltsame Rührung schmeichelhaft gedeutet: dass Ralph sie gewissermaßen als Paar mochte. Aber nun hatte er eine bessere Erklärung gefunden: Das schlechte Gewissen hatte Ralph beim Anblick seiner Opfer sentimental gestimmt. Das wiederum erklärte Ralphs aufgekratzten Zynismus. Vielleicht hatte er in ihrer Gegenwart noch mehr aufgedreht, um sich vor seinen Gefühlen zu schützen. Die Indizien waren erdrückend.
Oliver hielt im Niemandsland. „Steigt aus und geht über den Hügel, dahinter liegt ein Haus. Die Tür ist offen. Ich bin gleich da.“
Sie sprangen in den Schnee.
„ Komm!“ Anna nahm seine Hand.
„ Willst du wirklich zu dem Haus?“
„ Was sollen wir sonst tun?“
Sie stapften los. Es tat gut, sich anzustrengen und zu spüren, wie der Körper arbeitete.
Vom Hügel aus sahen sie ein Haus mit geschlossenen Fensterläden. Sie blieben stehen. Es war herrlich still und einsam, so weit und zeitlos. Ihr Atem gefror zu bleichen Wölkchen.
Der Abstieg gestaltete sich zunächst einfacher. Der Wind hatte auf dieser Seite den Schnee zu winzigen, geriffelten Dünen zusammengeblasen. Ihre Schritte lösten gezackte Plättchen, die über die harte Oberfläche hinabsurrten. Doch weiter unten trug sie die Schneedecke schlechter und oft brachen sie bis zur Hüfte ein.
Spuren führten zur Haustür. Jan klopfte, öffnete und trat in einen Vorraum. Den unteren Bereich füllten Schuhregale aus: Pantoffeln, Sandalen, Wanderschuhe und Gummistiefel unterschiedlicher Größe. Auf Hüfthöhe hingen Kindersachen, darüber Jacken, Mäntel und Regencapes.
Auf ihr „Hallo“ erhielten sie keine Antwort, also gingen sie in den nächsten Raum. Ein Wohnzimmer: die Wände bedeckt mit Familienfotos und Postkarten aus aller Welt, ein Sträußchen Trockenblumen auf einem runden Tisch, in einer Ecke ein Hundekorb aus Rattan. Alles aufgeräumt und staubig, offensichtlich war seit vielen Wochen niemand mehr hier gewesen.
Sie zogen die Masken aus und lächelten sich an. Seit sie den FBI-Pick-up auf dem Minengelände
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