Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie
aus ins Gespräch bringen – ihre Anspannung wuchs, sobald er von Geschehnissen sprach, für die ihr die Erinnerung fehlte.
„ Mach dir nichts draus.“ Er nahm ihre Hand und sie gingen schweigend nebeneinander am Wasser entlang, unterhalb eines Strandstreifens, der mit bunten, abgeschliffenen Kieseln, olivbraunen Seegrashalmen, hellgrünem, glitschigem Tang und Muscheln bedeckt war. Ab und an lagen größere, schwarz glänzende Steine dazwischen, die härter sein mussten, denn sie hatten ihre Kanten und Ecken bewahrt. Noch ein Stück weiter oben am Strand war all dieses Schwemmgut zu unförmigen Haufen zusammengedorrt.
Anna löste ihre Hand. „Du hast mit Chris gesprochen.“
„ Ja.“ Er zeigte hinaus aufs Meer. „Was ist denn das für ein Vogelschwarm?“
„ Keine Ahnung.“
„ Weiß mit schwarzen Köpfen.“
„ Worüber habt ihr gesprochen?“
„ Mit Chris?“ Er tat, als bemerke er ihren schneidenden Ton nicht.
„ Ja. Am Telefon hast du gesagt, dass sie in der Psychiatrie war.“
„ Sie ist sehr besorgt und hofft, dass es dir bald besser geht.“
„ Ihr haltet mich also beide für krank. Wie schön, da könnt ihr mich bei einem Kaffee bemitleiden.“
„ Was soll das?“
„ Oder seid ihr schon beim Wein angelangt?“
„ Sie ist nicht so der Wein-Typ. Sie hat mir eine Flasche Bier mitgebracht“, erwiderte Jan verärgert. Er traute sich in Annas Nähe, weil er sie liebte, und sie beschuldigte ihn, dass er sich schon nach der Nächsten umsehe.
Anna blieb stehen, nahm einen Stein und warf ihn weit hinaus ins Wasser. Er versuchte, sie zu beschwichtigen: „Ich will keine Andere, wir stehen das gemeinsam durch. Wenn du eine Therapie machst, werde ich warten.“
„ Hör auf, mich wie eine Geistesgestörte zu behandeln! Sie haben mir Drogen gegeben, das wird vorbeigehen. Ich kann schon wieder viel klarer denken als heute Morgen.“ Sie holte weit aus und schleuderte den nächsten Stein. „Und tu nicht so, als ob dir Chris egal ist!“
„ Chris ...“ Er wollte sagen, dass sie ihm nicht egal war, dass er sie mochte, ihre natürliche Fröhlichkeit, die auch vor der ‚verdammten Kacke‘ im Leben nicht zurückschreckte, ihr beruhigendes Trotzdem-Lachen. Aber in Anbetracht der Wut, in die sich Anna hineinsteigerte, schwieg er lieber.
„ Habt ihr euch nochmal gesehen, seit ich auf der Flucht bin? Du triffst sie doch auch so, ohne mich. Vor einer Woche wart ihr im Volkspark Friedrichshain, nicht wahr?“
„ Das stimmt. Ich mache mir schon seit einer Weile Sorgen, weil du nur noch fürs Ballett existiert hast und immer verschlossener geworden bist und all die Albträume hattest, und da wollte ich mit Chris drüber reden.“
Sie sammelte einen faustgroßen, schwarzen Stein auf. Die Knöchel ihrer Hände und die Muskeln der Unterarme traten hervor, so fest presste sie ihn zusammen. „Sehr gut! Du hast dieser Spionin erzählt, wie es um mich steht!“
Erst jetzt kam Jan die Idee, dass Eifersucht der Grund sein könnte, weswegen Anna Chris verdächtigte. Sie hatte gespürt, dass sie Jan in ihrer Beziehung nicht mehr glücklich machte, und in der heiteren, unkomplizierten Chris die Konkurrentin gewittert.
Abrupt drehte sie sich um und ging mit großen, schnellen Schritten entlang der Linie davon, bis zu der die Wellen den Sand durchtränkt hatten.
Jan ließ sie ziehen. Er hatte ihre wachsende Spannung mit Sorge beobachtet – und ebenso den Stein in ihrer Hand. Da war es ihm lieber, wenn sie auf Abstand ging. Er konnte sie ohnehin nicht zwingen, die Wahrheit anzuerkennen. Und irgendwie hatte er den Eindruck, dass das eine gesunde Reaktion war: Sie hatte ihre Eifersucht auf Chris gezeigt und sich nicht gänzlich hinter ihrer Verschwörungstheorie versteckt. Und nun lief sie weg, um mit ihrer Angst und Wut allein zurande zu kommen, statt sich in eine andere Identität zu flüchten.
Das ließ ihre eigene Beobachtung, dass sie schon wieder klarer denken könne, glaubwürdig erscheinen. Nicht, dass sie einfach gesund würde, so wie ein Kopfweh abklang, aber vielleicht hatte sie einen gewissen Halt gefunden nach der extremen Erschütterung, die ihr Angriff auf Rainer in ihrer Psyche ausgelöst haben musste. Vielleicht hatte jede der Attacken – auf Rainer, ihn selbst, die Krankenschwester und Farid – sie erneut aufgebracht, und jetzt hatte sie sich beruhigt.
Anna blieb stehen. Sie warf den Stein in einem kleinen Bogen aus dem Handgelenk ins Wasser und ließ den Kopf hängen.
Jan eilte ihr
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