Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie
Kapitel
Sie fielen sich in die Arme.
„ Du bist gekommen!“, flüsterte Anna und drückte die unverletzte Seite ihres Gesichts an seinen Hals.
„ Wie geht es dir?“ Als er sie entdeckt hatte, war all seine Furcht verflogen. Nun bemerkte er, dass seine Frage eigentlich bedeutete: ‚Was passiert in deinem Gehirn? Wie erlebst du mich? Bin ich vor dir sicher?‘
Sie löste sich und schob ihre Sonnenbrille gerade. „Ist dir die Polizei gefolgt?“ Ihre Stimme war plötzlich voll Mistrauen und ihr Gesicht wirkte angespannt, doch die großen Kreise der Sonnenbrille mit ihren dicken Rändern und die weit nach vorn gezogene Kapuze machten es schwer, ihren Ausdruck abzulesen.
„ Sie haben mich überwacht – wie du vermutet hast“, sagte er. „Ich bin heimlich aus dem Haus geflohen, über das Dach, aber dann haben sie mein Handy geortet, nehme ich an, gesehen habe ich sie im Zug nicht. In Rostock habe ich alles getan, um sie abzuschütteln. Sie können mir nicht gefolgt sein.“
„ Du glaubst mir also endlich?“
„ Ich glaube, dass wir in Ruhe reden sollten.“
„ Und du willst mich nicht ausliefern?“
„ Nein.“
„ Und du willst mich auch nicht ... zwingen? Sei vorsichtig, versuch es nicht noch einmal mit Gewalt, sonst wirst du es bereuen!“
„ Anna, es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Es war Notwehr, du hattest wirklich ein Messer –“
„ Du weißt, dass ich dich nie angreifen würde! Wie kannst du so etwas behaupten? Egal, dafür haben wir jetzt keine Zeit, unser Leben steht auf dem Spiel und ich habe keine andere Wahl, als dir zu vertrauen.“
„ Das kannst du.“
„ Gut, dann sollten wir uns im Wald verstecken.“
Jan gefiel der Gedanke nicht. Am Strand kamen zumindest gelegentlich Spaziergänger vorbei. „Hier sind so wenig Leute“, sagte er möglichst unbekümmert, „kein Mensch wird dich im Vorbeigehen erkennen.“
„ Was ich fürchte, sind die Verschwörer. Sie haben längst erfahren, dass ich entkommen bin. Sie werden ihre eigenen Killer schicken.“
Jan bemühte sich um einen aufmerksamen, unvoreingenommenen Eindruck. Er musste Anna reden lassen, um sich in ihre Wahnwelt einzufühlen.
„ Es scheint, dass die Verschwörer in Europa nur auf gekaufte Helfer wie Schiefer und Benounes zurückgreifen können.“ Anna warf einen Blick über die Schulter in den Wald. „Seit meiner Flucht sind über 18 Stunden vergangen.“ Etwas im Wald zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, sie stockte und sprach weiter, ohne den Wald aus den Augen zu lassen. „Ausreichend Zeit, um Killer aus den USA einzufliegen. Wir können nur hoffen, dass du die ebenfalls abgehängt hast. Auf jeden Fall müssen wir uns verbergen. Sie werden die Umgebung von Rostock durchstreifen.“
„ Wo willst du hin?“
Sie wandte sich ihm wieder zu. „Ich habe viele Möglichkeiten durchgespielt. Die Beste ist, heute Abend die Fähre nach Helsinki zu nehmen. Für Finnland braucht man keinen Pass und dort können wir in den Wäldern verschwinden.“
„ Und dann?“
„ Wir schicken E-Mails an die Presse und an Wikileaks, damit die Verschwörung aufgedeckt wird. Am besten auch an die US-Demokraten und die Konkurrenten von Ms. Reed bei den Republikanern.“
Die Verschwörung, das war ihr großes Thema, und was immer er sonst ansprechen würde, sie würde unweigerlich die Verschwörung als Wurzel allen Unheils ins Feld führen. Hier musste er ansetzen. „Wenn es etwas aufzudecken gibt, warum ist das nicht längst geschehen? Die toten FBI-Agenten, die Explosion von Alberts Anwesen, die Milliardenbeträge – das hat Furore gemacht. Die Medien haben über alles berichtet, nur nicht über Ms. Reed. Sie haben Alberts ehemalige Geschäftspartner in Mexiko interviewt und sogar die Hebamme, die meine Mutter zur Welt gebracht hat, sie haben jeden Stein umgedreht und nichts gefunden. Und –“
„ Das FBI –“
„ Warte, lass mich ausreden! Das FBI hat nichts von einem politischen Komplott verlauten lassen, weil es keinen Hinweis darauf gab, außer dem, was Oliver uns erzählt hat, und der hat so viel erlogen, dass es unverantwortlich gewesen wäre, allein aufgrund dieser Behauptung Ms. Reeds Karriere zu ruinieren. Albert hat mir gegenüber davon gesprochen, wie geschickt er Wilken und Refford als Strohmänner für den Ankauf von Bodenrechten gewählt hatte. Ms. Reed hat er mit keinem Wort erwähnt.“
Anna hatte ihre Stirn in Falten gelegt und ihre Lippen zusammengepresst. Jan war froh, dass die Sonnenbrille
Weitere Kostenlose Bücher