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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Parker
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sie hinter den Bäumen hervor und stellte sich neben den großen Dicken.
    Er hob mit dieser eigenartig ruckenden Bewegung den Kopf, schielte zu ihr hoch und bewegte die rechte Hand. Der Revolver entfiel ihm, aber das schien er gar nicht zu merken.
    „Kennst du mich noch?“, fragte Janet.
    Er stieß einen krächzenden Laut aus.
    „Weißt du noch, wie du mich gefesselt und geknebelt hast?“, fragte sie.
    Wieder bewegte er die rechte Hand. Sie zielte mit dem silbrigen Revolver auf seine Schläfe und drückte ab. In der Schläfe erschien ein kleines schwarzes Loch. Er sackte am Fuß des Baumes zusammen. Das mühsame Atmen verstummte.
    „Hoffentlich bist du in der Hölle gelandet“, sagte sie, ohne ihre Haltung zu verändern.
    „Herrgott, Janet.“ Newman ging zu ihr hinüber und drückte ihren Arm nach unten. Sie wehrte sich nicht, aber ihr Arm war auch nicht schlaff. Er fasste ihre Schultern mit beiden Händen, drehte sie um, dann legte er ihr einen Arm um die Taille und führte sie zum Weg. Die Wälder schlossen sich hinter ihnen. Die Toten blieben zurück, als seien sie nie gewesen. Der Wanderweg führte in sanftem Gefälle bergab. Zum See. Aus dem Wald heraus.
    „Einer noch“, sagte er.
    „Ja.“
    Die Sonne erhob sich über den Baumwipfeln amöstlichen Himmel. Der Wald war zwar noch voller Schatten, aber er wirkte warm und freundlich nach dem Gewitter. Vierhundert Meter legten sie schweigend zurück.
    „Den wirst du zur Strecke bringen müssen“, sagte Janet.
    „Ohne dich?“
    „Du weißt doch, dass ich im Laufen nicht so toll bin wie du.“
    „Du schaffst mehrere Meilen.“
    „Ich muss deinen Rucksack tragen, für dich ist es besser, wenn du ohne Rucksack läufst.“
    Er schüttelte den Kopf. Sie blieben stehen.
    „Wenn er entkommt, ist das für uns das Todesurteil“, sagte sie. „Und für unsere Töchter auch. Es bedeutet die Vernichtung aller Menschen, die du je geliebt hast. Bis hierher sind wir gekommen. Es ist fast geschafft. Du musst es tun.“
    Sein Arm tat weh. Er tat schon die ganze Zeit weh, aber über das Feuergefecht in der Dunkelheit hatte er ihn vergessen. Er pochte, und der Schmerz strahlte in Schulter und Nacken aus.
    „Ich kann ihn nicht jagen“, sagte Janet. „Ich bin total kaputt. Ich könnte es vermutlich auch sonst nicht.“ Sie sprach sehr leise und war ihm sehr nah.
    „Ja“, sagte er. Er kam sich schwerfällig und langsam vor, seine Beine fühlten sich schwach und steif an. Erhatte Schmerzen. Vorsichtig streifte er den Rucksack über die Armwunde und ließ ihn zu Boden fallen. Er zog den Nylonparka aus und rollte ihn fest zusammen, hockte sich hin und steckte ihn ebenfalls in den Rucksack. Er zog die Daunenweste aus, rollte sie zusammen und steckte sie in den Rucksack. Auch das Hemd zog er aus und packte es ein.
    „Du hast abgenommen“, sagte sie.
    Er gab ihr das Beil, das sie in den Gürtel steckte.
    „Nimm du den Karabiner“, sagte er. Sie tat es. Er nahm ihr den kleinen Revolver mit dem Holster ab und schnallte ihn sich an den Gürtel. Er war nackt bis zur Hüfte und fröstelte in den ersten Strahlen der Morgensonne. Er trug Stiefel, die bis über die Knöchel geschnürt waren, sie waren teuer und sehr leicht. Er schob sich zwei Keksriegel in die Hosentasche.
    „Wenn er nun auf dich wartet, wie wir es mit ihnen gemacht haben?“, fragte sie.
    Er zuckte die Schultern. „Dann kann ich mir auch nicht helfen. Du hast schon recht, es bleibt mir gar nichts anderes übrig.“
    „Vielleicht macht er ja auch etwas anderes.“
    „Vielleicht. Er weiß nicht, wie viele wir sind. Alle anderen sind tot. Er ist allein im Wald. Da wäre es schon erstaunlich, wenn er keine Angst hätte. Ich hoffe, dass er nur rennt.“
    „Gut, dass wir die Boote zerstört haben“, sagte sie.
    „Wir hätten auch das Kanu kurz und klein schlagen sollen. Wenn er es findet, ist alles aus.“
    „Das findet er schon nicht.“
    Er sah sie noch einmal an. Sie trug immer noch den grünen Nylonparka, die Kapuze hochgeschlagen, die Zugschnur festgezurrt, unter der ihr Gesicht hervorsah wie aus einer Nonnenhaube. Vom Make up war wirklich gar nichts mehr übriggeblieben, ihr Gesicht war grau vor Erschöpfung. Aber es verriet keine Spur von Unsicherheit. Er konnte sich kaum mehr erinnern, dass es eine Zeit gegeben hatte, als er dieses Gesicht mit den energischen Flächen und dem breiten Mund nicht gekannt hatte. Ohne Make up waren ein paar Sommersprossen auf der hellen Haut zu sehen. Um ihren Mund

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