Wildrosengeheimnisse
mir der Spaß daran gründlich vergangen. Der Höhepunkt war ein Sturz auf den Hinterkopf (natürlich fuhr man damals noch ohne Helm), der meine Karriere als Skihase abrupt beendete.
Mit diesen Gedanken verziehe ich mich rasch unter die Dusche und bin schon ein paar Minuten später im Café. Aufgrund der Eile bin ich nur schnell in einen Rolli und eine schwarze Jeans geschlüpft und habe die Haare zu einem lässigen Dutt gesteckt. Eine Tatsache, die ich schon Minuten später bitter bereue, denn gerade, als ich die großen Fenster zum See öffne und die herrliche Winterluft in die gute Stube lasse, steht das absolut hübscheste Wesen vor mir, das ich je gesehen habe. Ihr langes dunkles Haar fällt ihr seidig weich über die Schultern und ihre großen braunen Augen blicken mich erwartungsvoll an. Sie sieht aus, als würde sie Werbung für eine teure Creme machen, denn ihre junge Haut ist makellos glatt. Ihr schön geschwungener Mund verzieht sich zu einem Lächeln, vermutlich, weil ich sie so überrascht anstarre, und ihre melodiöse Stimme erklingt: »Guten Morgen. Haben Sie etwa noch geschlossen?«
»Aber nein, kommen Sie doch herein. Sie sehen ganz erfroren aus«, beeile ich mich zu sagen. Da hat sie auch schon ihren cremefarbenen schmalen Mantel abgelegt und offenbart ihre schlanke Figur, die in einem roten Strickkleid steckt.
Sie bestellt einen Cappuccino und verdrückt sich mit der Tageszeitung ausgerechnet in die hinterste Ecke des Cafés. Seltsam, hätte ich doch erwartet, dass sie einen der Tische direkt vor dem Fenster auswählt, um den See zu sehen, so wie jeder das macht, der hereinkommt.
Während ich den Cappuccino zubereite und ein kleines Schokoherz dazu auf ihren Teller lege, fällt mir ein, dass ich sie schon einmal irgendwo gesehen habe. Doch es will mir partout nicht einfallen, wo. Vielleicht im Fernsehen, in einem Werbespot? Ja, so muss es sein.
Ziemlich schnell füllt sich das Café, denn bei dem schönen Wetter sind wieder zahlreiche Spaziergänger unterwegs. Ich bin froh, dass Nini um die Ecke kommt und mir wortlos etwas zur Hand geht. Doch mir entgeht keineswegs der Blick, den sie Christian zuwirft, der gerade mit seinen Skisachen hereinkommt, um mir einen Abschiedskuss zu geben.
»Wie schade, dass du nicht mitkommen kannst, Liebling«, sagt er zärtlich. Ich sehe in Ninis Augen, dass sie es nicht gut findet, dass er sich einen schönen Tag macht, während wir arbeiten. Aber ich kann ihm doch keinen Vorwurf machen, es ist ja nicht seine Schuld, dass ich zu tun habe. Schließlich habe ich mir dieses Leben ausgesucht, das ›Café Butterblume‹ war mein großer Traum. Ich gönne es Christian von Herzen, wenn er sich heute einmal entspannen kann. Er hat genug Stress in seinem Job als Anwalt und muss sich mit vielen langweiligen Akten herumschlagen, während wir es oft sehr lustig haben. Ob Nini eifersüchtig ist, weil sie mich sonst immer für sich allein hatte?
*
»Bis heute Abend, arbeite nicht so viel, meine Süße.«
Mit einem strahlenden Lächeln ist Christian bereits auf dem Weg zur Tür. Natürlich bemerkt auch er beim Hinausgehen die dunkle Schönheit in der Ecke und sein Blick bleibt für meinen Geschmack eine Idee zu lange an ihr haften.
Da schenkt sie uns ein süßes Lächeln und winkt mich zum Zahlen heran.
Während sie in ihrer Tasche nach ihrem Geldbeutel kramt, habe ich Gelegenheit, sie mir einmal aus der Nähe anzusehen. Und plötzlich weiß ich, wo ich sie schon einmal gesehen habe.
Der Bluterguss über ihrem rechten Auge … und die Haarspange in Form eines Saxophons … Das ist doch die Frau vom Zebrastreifen gestern, mit dem brutalen Kerl an ihrer Seite. Heute, ohne ihn, sieht sie bei Weitem nicht mehr so ängstlich und verstört, sondern beinahe gelassen aus. Vielleicht haben sich die beiden wieder vertragen und es ist alles in bester Ordnung. Hoffe ich zumindest.
Auf dem See liegt immer noch ein winziger Nebelschleier, durch den ein paar Schwäne majestätisch hindurchgleiten und der die Landschaft wie verzaubert wirken lässt.
Durch das herrliche Wetter kommen immer mehr Gäste. Nini und ich haben auch heute erneut alle Hände voll zu tun. Endlich kommt wieder ein wenig Geld in die Kasse, das können wir gut gebrauchen. Schließlich müssen wir schon bald ein schönes Kleid für Nini kaufen gehen, denn ihr Abi-Ball steht vor der Tür.
Am Abend bin ich völlig geschafft, als Christian blendender Laune und strahlend vom Skifahren zurückkehrt. Er sieht toll
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