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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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Waisen als Arbeitskräfte nutzen? Schlauer Schachzug. Mehr Macht für Sie.«
    Joffrey lächelte und wackelte mit den Fingern. Kleine Kinderhändchen , sagte er lautlos.
    »Aber wenn ich nicht bald Wachstum sehe …« An dieser Stelle wurde Wigman lauter.
    »Wachstum!«, wiederholte er noch lauter.
    »WACHSTUM!« Wigman schlug mit der Faust auf den Tisch. »Und zwar bald, dann werde ich Ihnen mal einen kleinen Besuch abstatten und ein paar von meinen Kumpels hier« – ein Nicken zu den Mützenträgern – »mitbringen, und dann SORGE ICH FÜR WACHSTUM, KAPIERT?«
    Joffrey fühlte sich wie in seinen Sitz gedrückt. Eine Schweißperle rann ihm über die Stirn.
    »Machen Sie in Ihrer Freizeit, was Sie wollen. Aber es sollte besser nicht Ihren Beitrag zum Quintett beeinträchtigen, sprich: Ich möchte kein Wort mehr über diese Undurchdringliche Wildnis hören. Ist das klar, Maschinenteile?«
    »Ja.«
    »Ich sagte: Ist das klar?«
    »Ja, Mr. Wigman.«
    »Gut.« Wigman setzte sich wieder. Er klatschte in die Hände, und einer der Schauermänner brachte ihm gehorsam einen weiteren blauen Ball zum Quetschen. »Und jetzt werde ich mich ein wenig mit den anderen Quintettmitglieder befassen, die echte Zahlen vorlegen können. Kommen Sie zurück, wenn Sie auch welche haben.«
    Joffreys Stuhl machte einen Ruck nach hinten; einer der bemützten Gorillas hatte ihn zurückgerissen. Unterwürfig erhob Unthank sich, nickte den Anwesenden zu und verließ das Zimmer. Als er ins Foyer kam, setzte er sich den Hut auf und versuchte mit aller Kraft, nicht aus den großen Fenstern zu schauen. Erst, als die Aufzugtüren sich langsam vor seinem geröteten Gesicht schlossen, erhaschte er einen kurzen Blick auf die grüne Wand, die durch den Dunst der Industriewüste gerade eben zu erkennen war. Und ihm war zum Heulen zumute.

    Sobald ihre Koffer ausgepackt und ihre Habseligkeiten in den kleinen grauen Spinden am Fußende der Betten verstaut waren, gab es für Elsie und Rachel nicht mehr viel zu tun. Anfangs hatte Rachel zu Elsies Verdruss gewartet, bis ihre kleine Schwester sich ein Bett in dem riesigen Schlafsaal ausgesucht hatte, und sich dann selbst für das entschieden, welches am weitesten von Elsies entfernt stand. Daraufhin aber hatte Elsie mit an die Brust angezogenen Knien auf ihrer Pritsche gesessen und leise gewimmert, bis Rachel sich ihre grüne Reisetasche geschnappt hatte und zurück zu dem Bett unmittelbar neben Elsies marschiert war. Mehrere Stunden vergingen, und sie sprachen kaum drei Worte miteinander. Hin und wieder kam aus einem uralt aussehenden Lautsprecher über der Tür ein unverständliches Quäken, und die beiden Mädchen erschraken.
    »Was sagen sie denn?«, fragte Elsie ihre große Schwester.
    »Weiß ich nicht.«
    Nach einer Weile legte Rachel sich wieder auf den Rücken, stopfte sich das dünne Kissen unter den Kopf und hörte mit kleinen weißen Ohrstöpseln Musik auf ihrem iPod. Elsie kniete sich neben ihr Bett und baute eine Vulkaninsel aus der blauen Decke, die ihre Unerschrockene Tina erforschen konnte. Aus Rachels Kopfhörern ertönte immer wieder das leise, blecherne Scheppern eines Schlagzeugs. So beschäftigten sie sich fast eine Stunde lang, bis Elsie sich langweilte und an Rachels Hosenbein zupfte.
    Rachel zog einen Ohrstöpsel heraus. Musik dröhnte. »Was ist?«
    »Wo sind die ganzen Kinder?«
    »Keine Ahnung.« Ohrstöpsel wieder rein.
    Erneut tippte Elsie ihre Schwester an. Rachel verdrehte die Augen und nahm den Kopfhörer heraus. »Was denn?«, fragte sie, sichtlich genervt.
    »Ich meine, ist es nicht komisch, dass wir hier ganz allein sind? Ich dachte, das wäre ein Waisenhaus.« Elsie sah sich im Schlafsaal um. »Wo sind die Waisen?«
    »Nur wir zwei Waisen«, sagte Rachel bissig.
    Elsie schob die Unterlippe vor. »Ich bin keine Waise.«
    »Wie du meinst. Du glaubst ja wohl nicht im Ernst, dass Mama und Papa zurückkommen. Die sind weg.«
    »Sag so was nicht.«
    »Curtis ist abgehauen, und erst waren sie traurig, aber dann dachten sie sich: Hey, das ist ja cool, nicht so viele Kinder zu haben. Also haben sie uns abgeschoben. Ganz einfach.« Sie drückte sich den weißen Stöpsel zurück ins Ohr und klopfte mit den Händen den kaum hörbaren Takt auf den Knien mit.

    Elsie zog die Augenbrauen zusammen. Ohne nachzudenken sprang sie auf, zerrte die Kopfhörer aus Rachels Ohren und riss ihr den silberfarbenen iPod aus der Tasche ihrer Kapuzenjacke. Er knallte auf den Boden, und Rachel

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