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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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Prue ein Zeichen des Aufbruchs. »Um aufzupassen, dass alles zufriedenstellend erledigt wird.« Die ersten zarten Streifen der Morgenröte tauchten am Horizont auf, die Wolken waren von einem leuchtenden Rosa umrahmt. Steifbeinig setzten sich die Wachtmeister in Gang, während sie aufgeregt miteinander flüsterten, und Iphigenia und ihr Gefolge – Prue und die anderen Mystiker – liefen hinter ihnen her.
    Nach einem zügigen Marsch erreichten sie einen hohen Hügel, auf dem der Feuerwachturm thronte, eine ziemlich wackelige Holzkonstruktion: Es handelte sich um einen kleinen, kuppelförmigen Verschlag, der auf willkürlich kreuz und quer verstrebten Balken gebaut und von einem schmalen Laufgang umgeben war, zu dem eine an der Seite festgenagelte Trittleiter hinaufführte. Sterling, der Fuchs, kletterte nun mit gezückter Gartenschere ebendiese Leiter nach oben, um die Tür des Wachturms zu erreichen.
    »Seht ihr«, erläuterte er der Menge unter sich, während er etwas mühsam hinaufstieg, »Sicherheit hat hier oberste Priorität. Daher
das Schloss. Ohne könnte man damit rechnen, dass die Feuerglocke das bevorzugte Ziel eines jeden Witzboldes von Nordwald würde.«
    »Mach schon, Sterling«, drängte Iphigenia, »wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    »Leichter gesagt als getan, Mystikerin«, sagte Sterling, schwang die Gartenschere und klemmte die beiden Klingen vorsichtig in das Schlüsselloch. »Dieses Schloss ist beste Handwerkskunst aus Südwald; ich selbst habe die Montage überwacht. Es ist zu bezweifeln, dass es mir gelingen wird … oh.« Ein deutliches metallisches Klicken war zu vernehmen. Das Schloss fiel auf den Boden. Sterling errötete.
    »Was ist passiert, Fuchs?«, fragte Iphigenia.
    »Es, äh, es scheint nicht eingerastet gewesen zu sein«, erwiderte Sterling.
    Die Mystikerin schüttelte den Kopf. »Also los doch, geh schon rein und läute die Glocke!«
    Und genau das tat der Fuchs endlich; ein ohrenbetäubendes Scheppern ertönte aus dem Wachturm und hallte über die umliegenden Wiesen und Wälder.
    Die beschauliche ländliche Gegend, die eben noch so ruhig im Morgengrauen lag, erwachte plötzlich zum Leben.
    Zwischen den Bäumen und den Gemüsereihen tauchten Gestalten auf; die Bewohner der Hütten öffneten ihre Türen, traten auf die vom Morgenlicht gesprenkelten Veranden und betrachteten neugierig
die kleine Gruppe unter dem Feuerwachturm. Bunt gestrichene Wohnwagen kamen aus dem Wald und zockelten den Hügel hinauf. Landarbeiter ließen ihre Schaufeln sinken und liefen von ihrer frühmorgendlichen Feldarbeit zu dem alten Holzturm. Innerhalb kurzer Zeit hatte sich eine ansehnliche Menge auf dem Hügel versammelt. Zufrieden mit seiner Arbeit kletterte der Fuchs wieder vom Turm herunter.
    Iphigenia wandte sich an Prue. »Es macht dir doch nichts aus, mir hier etwas zu helfen, oder?« Sie deutete auf die Trittleiter, die zu dem Laufgang des Verschlags führte. Prue lächelte. »Natürlich nicht«, sagte sie und kletterte rasch die Leiter hoch. Dann streckte sie ihre Hand aus, sodass Iphigenia sich daran festhalten konnte. Oben angekommen ließ die Mystikerin den Blick über die Menge schweifen. Prue stand neben ihr. Unter ihnen dehnte sich die freundliche Landschaft von Nordwald aus, ein Labyrinth von Erlengehölzen und Gemüsegärten. Kleine Dörfer, aus deren wenigen, malerischen Hütten Torfrauch aufstieg, schmiegten sich in weit verstreute Täler; eine breite, gewundene Straße – Prue vermutete, dass sie der Nordzubringer der Langen Straße sein musste – schlängelte sich durch das Gelände wie ein wilder Fluss und verschwand weit hinten zwischen bewaldeten Hügeln.
    »Tretet bitte näher«, begann die Älteste Mystikerin. »Die Leute ganz hinten sollen auch etwas hören. Ich kann nicht so laut sprechen. Sterling, sorg bitte dafür, dass die kleineren Tiere vorne sitzen: die
Maulwürfe und Eichhörnchen. Meine Lieben, wenn ihr größer als einen Meter zwanzig seid, bleibt etwas weiter hinten. Ja, so ist es gut.«
    Sie machte eine kurze Pause, als ein neuer Schwung Zuhörer eintraf. Die beiden Wachtmeister Sterling und Samuel marschierten emsig herum und gaben sich alle Mühe, die Leute zu beruhigen und richtig zu platzieren. Das leise Summen der Gespräche umschwärmte den Hügel wie ein Bienenschwarm. Als Iphigenia mit der Anzahl der versammelten Nordwalder zufrieden war, ergriff sie das Wort.
    »Sind wir alle da?«
    Ein Meer von wackelnden Köpfen war die Antwort; manche nickten,

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