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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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andere wurden geschüttelt. Eine Stimme vom äußeren Rand rief: »Die Leute oben vom Miller-Bach sind unterwegs.«
    Eine andere: »Die Krugers und Decks sind mittendrin im Heumachen. Sie schaffen es nicht.«
    Iphigenia nickte. »Alle werden davon erfahren. Im Moment muss diese Versammlung reichen.« Prue schätzte, dass etwa dreihundertfünfzig Seelen gekommen waren – ein verwirrendes Durcheinander an Wieseln, Kojoten, Füchsen, Menschen und Rehen. In der Mitte überragte eine Schwarzbärfamilie in Latzhosen die übrigen Anwesenden; die Geweihe einer kleinen Gruppe von Hirschen standen seitlich hervor. Ein paar Stinktiere wurden von Samuel nach vorn dirigiert.

    »Der Grund, warum ich euch hergerufen habe«, rief Iphigenia mit fester, schallender Stimme, »warum wir die Glocke geläutet haben, ist, dass uns eine schwere Prüfung bevorsteht. In Wildwald ist eine Armee auf dem Vormarsch, eine Armee, die die Zerstörung des gesamten Waldes beabsichtigt. Wir haben die ganze Nacht hindurch am Ratsbaum meditiert und – mit Billigung des Baumes – einstimmig die Entscheidung gefällt, uns gegen diesen Feind zur Wehr zu setzen. Die Freiwilligenarmee von Nordwald wird hiermit zu den Waffen gerufen.«
    Das vorher bereits verebbte Gemurmel der Menge wurde wieder lauter, das Flüstern verwandelte sich in erregtes Plappern. »Was interessiert uns, was in Wildwald passiert?«, rief einer der Bären. »Das geht uns nichts an.«
    Stirnrunzelnd entgegnete Iphigenia: »Was Wildwald im Moment bedroht, das bedroht uns alle. Der Efeu wurde geweckt. Die verbannte Gouverneurswitwe von Südwald hat ihm das Blut eines Menschenkindes versprochen, um ihn dadurch ihrem Befehl zu unterwerfen. Diesem Außenweltmädchen hier, Prue McKeel, haben wir diese wichtige Nachricht zu verdanken.« Sie gab Prue ein Zeichen, und Prue trat schüchtern vor und machte einen angedeuteten Knicks.
    »Was macht die Außenweltlerin hier?«, rief eine gesichtslose Stimme aus der Menge.
    Eine andere verbesserte sofort: »Das ist nicht einfach eine Außenweltlerin, das ist ein Mischling!«

    Daraufhin fixierten alle Anwesenden Prue; viele nickten beifällig. »Es stimmt!«, hörte Prue jemanden zu seinem Nachbarn sagen. Iphigenia machte eine auffordernde Geste in ihre Richtung, und Prue riss die Augen auf.
    »Ich soll etwas sagen?«, zischelte sie.
    Iphigenia nickte. »Ja. Es wäre am besten, wenn sie es von dir hören würden.«
    Prue schluckte, machte noch einen Schritt nach vorn und legte die Hände auf das Geländer des Laufgangs. Sie blickte auf die Menge. »Mein Bruder«, begann sie. »Mein Bruder wurde vor fünf Tagen …«
    »Sprich lauter!«, rief jemand von hinten.
    Prue räusperte sich. »Vor fünf Tagen musste ich mit ansehen, wie mein Bruder von einem Schwarm Krähen entführt wurde. Aus einem Park in St. Johns – der Außenwelt. Also kam ich her, um ihn zu suchen. Ich bat die Leute in Südwald um Hilfe, aber sie unternahmen nichts.« Allmählich gewann sie an Selbstvertrauen. »Dann wandte ich mich an Uhu Rex, den Kronprinzen der Vögel – und er wurde verhaftet! Er riet mir, hierherzukommen und mit den Mystikern zu sprechen. Er meinte, das wäre meine letzte Hoffnung.«
    Iphigenia trat neben Prue. »Die Krähen stehen in Diensten der Witwe«, erklärte die Älteste Mystikerin. »Sie haben sich von den Vögeln abgespalten und gehorchen nun dem Befehl der Gouverneurin. Sobald auch der Efeu ihrem Kommando untersteht, kann die
Verwüstung nicht mehr aufgehalten werden. Jeder Baum wird stürzen, jede Wiese wird verschlungen. Eure Feldfrüchte, Häuser und Höfe werden zerstört. Der Efeu kennt keine Grenzen, er wird sich immer weiter ausbreiten, bis ihm sein Anführer befiehlt, abzulassen. Und dieser Anführer ist eindeutig eine Wahnsinnige, die auf die vollständige Vernichtung des Waldes, wie wir ihn kennen, aus ist.«
    Das Publikum stieß ein ängstliches Raunen aus, und die Mystikerin fuhr fort:
    »Unsere Meditationen am Ratsbaum haben ganz eindeutig ergeben, dass wir dazu aufgerufen sind, unsere Armee zur Verteidigung des Waldes aufzustellen. Wir haben keine andere Wahl.« Iphigenia holte tief Luft. »Fuchs«, rief sie, »würdest du vielleicht ein Wort sagen?«
    Sterling, der sich am Fuße der Trittleiter platziert hatte, nickte und stieg erneut zum Laufgang hinauf. In der Pfote hielt er eine zerfledderte und vergilbte Schriftrolle, die er nun öffnete und verlas. »Der Einberufungserlass ordnet an, dass jeder Mann und jede Frau von körperlicher

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