Wildwood
die Luft. »KAMPF!«, quiekte er und beobachtete, wie der Stein quer durch das Lager in einen Stapel
ordentlich aufeinandergestellter Tonschüsseln flog. Ein Scherbenregen prasselte auf den Waldboden, und das gesamte Lager hielt inne und starrte Curtis an.
»Oh mein Gott«, stieß er mit dunkelrotem Gesicht hervor. »Entschuldigung. Das wollte ich wirklich nicht …«
Aisling hielt sich den Bauch vor Lachen.
»Vielleicht solltest du lieber bei deinen taktischen Operationen bleiben«, bemerkte Septimus.
»Ich lerne das schon noch, wart’s nur ab.« Schon wollte er wütend abrauschen, als Aisling ihn zu sich winkte.
»Das war gut«, presste sie zwischen zwei Lachanfällen hervor. »Es wurde sowieso langsam ein bisschen zu ernst hier. Nicht schlecht.«
Curtis lächelte und zuckte die Schultern. »Man tut, was man kann.«
Da hallte der langgezogene Ton eines Signalhorns durch die Schlucht. Der Lärm verstummte, die Räuber standen stramm.
»Das war’s wohl«, sagte Aisling. Jetzt lachte sie nicht mehr. Sie stand auf und steckte sich die Pistole in den Gürtel. Brendan hatte sich in der Mündung der Talsenke aufgebaut, den Säbel an die Seite geschnallt, eine lange Flinte über der Schulter. Sein linkes Knie steckte zwar in einem Verband, doch man sah ihm an, dass seine frühere Kraft zurückgekehrt war.
»Meine Damen und Herren«, rief er den Anwesenden zu. »Liebe
Räuber. Der Morgen naht. Antreten. Wir marschieren zum Hain der Ahnen.«
Wortlos stellten sich die Kämpfer in ordentlichen Zweierreihen auf; blank polierte und geschärfte Säbel wurden in ihre Scheiden gesteckt, Gewehre über Schultern geschlungen. Tränenreich verabschiedeten sich Liebespaare, Ehefrauen und ihre Männer voneinander. Ein paar kleinere Kinder fingen an zu weinen, weil sie sich von ihren Eltern trennen mussten, und wurden von den Wenigen getröstet, die zurückblieben, um sich um das Lager zu kümmern. Aisling und Curtis liefen auf die Kolonne zu.
»Viel Glück«, sagte Aisling, als sie in der Menge verschwand. »Herr Taktiker.«
DREIUDZWANZIG
Zu den Waffen!
E ine Armee?«, fragte der Hase und wischte sich den Schlaf aus den Augen. Offenbar war er aus einem tiefen Schlummer geweckt worden; sein Sieb-Helm saß schief auf seinem Kopf, und die Wachtmeisteruniform war zerknautscht. »Das … das haben wir noch nie gemacht.«
»Was Samuel zu sagen versucht, Mystikerin«, erklärte der Fuchs ähnlich benommen, »ist Folgendes: Es ist wirklich Ewigkeiten her, seit wir das letzte Mal dazu gezwungen waren. Ich meine, wir sind doch ein friedliebendes Volk, oder?«
Iphigenia gab sich große Mühe, ihren Unmut zu unterdrücken. »Das verstehe ich, Sterling, aber du wirst eben improvisieren müssen. Es ist von größter Wichtigkeit.«
Sterling, der Fuchs, sah die Mystikerin eingehend an. Prue, die neben Iphigenia stand, wurde ungeduldig. Sie wackelte unruhig mit den Zehen in ihren Schuhen. Endlich sprach der Fuchs wieder. »Ich schätze mal, in diesem Fall müsste die Glocke geläutet werden?«
Iphigenia verdrehte die Augen. »Ja, so ist es, lieber Fuchs. Und wenn es dir nichts ausmachen würde, dich ein wenig zu beeilen – wir müssen eine halb verrückte Frau und ihr Kojotenheer aufhalten, ehe sie den ganzen Wald in Trümmer legen.«
»Tja, aber das ist genau das Problem, nicht wahr«, meinte der Fuchs. »Die Glocke befindet sich nämlich im alten Feuerwachturm. Und der ist abgeschlossen.«
»Dann schließ ihn auf«, sagte die Mystikerin.
Der Fuchs lächelte betreten. »Kein Schlüssel.« Er hielt seine Pfoten mit den Innenflächen nach oben, als wäre es ein gewisser Trost, sie leer zu sehen.
Für einen Augenblick schwiegen alle; die Älteste Mystikerin holte tief Luft. »Mein lieber Fuchs«, sagte sie mühsam beherrscht, »ich bin eine Frau von unendlicher Geduld. Ich habe mein Leben der Meditation gewidmet. Drei Wochen lang habe ich einem Stein, einem einzigen Stein, dabei zugesehen, wie er Moos ansetzte. Du allerdings stellst diese scheinbar grenzenlose Geduld auf eine harte Probe.«
Diese offenen Worte schienen sie wieder etwas zu beruhigen und sie änderte ihren Tonfall: »Wenn es ein Schloss gibt, Sterling«, sagte sie mit nachdrücklicher Geduld, »und kein Schlüssel da ist, dann ist die naheliegende Lösung, das Schloss aufzubrechen. Die Glocke muss unbedingt geläutet werden. «
Gehörig eingeschüchtert schlug sich Sterling die Pfote an die Schläfe. »Jawohl!«
»Wir werden mitkommen«, sagte Iphigenia und gab
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