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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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war ein junger Kojote, kaum dem Welpenalter entwachsen, und seine goldverzierte Uniform schlotterte um seine Schultern. »Der Sockel«, informierte er sie, »ist gleich da vorne – oberhalb des kleinen Hügels dort, in der zerstörten Basilika. Das soll ich Ihnen ausrichten.«

    »Danke, Gefreiter.« Die Gouverneurin suchte den Horizont ab. »Gut gemacht.«
    Da waren sie also. Der Augenblick war nah, die Sonne näherte sich ihrem höchsten Punkt. Bald schon war es Mittag. Alexandra spürte den Efeu unter den Hufen des Pferdes aufwallen. Die dunkelgrünen Blätter und ihre kleinen Schlangenfinger schienen an ihren Knöcheln zu lecken.
    »Geduld, meine Schätzchen«, flüsterte sie. »Geduld.«

    Atemlos kehrte der Späher zurück. »Der Hain«, stieß er hervor. »Wir sind fast da! Die Kojoten sind vor uns angekommen, aber nur knapp.«
    Brendan nahm die Nachricht schweigend auf. Die Armee der Räuber, Mystiker und Bauern wartete. Hinter ihnen hatte sich das Brombeergestrüpp wieder in seine ursprüngliche undurchdringliche Gestalt verschlungen, sobald der letzte Soldat es durchschritten hatte. Jetzt waren alle im Schatten einiger uralter Tannen und Zedern versammelt. Zwischen zwei der dicksten und höchsten Stämme war der erste Beweis dafür zu entdecken, dass dies einst tatsächlich ein zivilisiertes Land gewesen war: Eine einzelne gerillte Säule – von denen Rom und Athen übersät sein mussten, so stellte es Prue sich zumindest vor – war umgestürzt und lag in einem eigenartigen Kontrast zur Wildheit der Umgebung auf dem Waldboden. Neben einem der zersprungenen Säulenstücke hatte Brendan seine Hauptmänner um sich geschart: Cormac, den Fuchs Sterling – und Prue.

    »Warum bin ich hier?«, war Prues erste Frage.
    »Du wirst unser Kurier sein«, erklärte Brendan. »Eine sehr wichtige Aufgabe.«
    »Okay«, sagte Prue misstrauisch. Ihr war nicht ganz wohl dabei. Immerhin standen jetzt Menschenleben auf dem Spiel.
    Brendan sprach leise. »Der Sockel befindet sich in der alten Basilika im Zentrum des Hains. Diese Basilika besteht aus drei getrennten Ebenen – am besten stellt ihr euch das wie drei gigantische in den Hang gehauene Stufen vor. Die Armee der Witwe wird auf die unterste Ebene marschieren, die früher mal eine Art Versammlungsplatz war. Die dritte Stufe, die uns am nächsten liegt, ist die Ebene, auf der der Sockel steht. Auf der mittleren werden wir zur Kojotenarmee stoßen. Dort tragen wir unsere Schlacht aus. So können wir, falls wir zurückgedrängt werden, trotzdem noch den Sockel verteidigen.«
    Er sah jedem seiner Mitstreiter nacheinander in die Augen, ehe er fortfuhr. »Wir teilen uns in drei Einheiten auf«, erklärte er. »Zwei Flanken und eine Angriffsspitze. Cormac, du marschierst nach Norden. Sterling, du nach Süden. Ich stoße von Westen vor und führe die Angriffsspitze von oben her über die dritte Ebene. Ihr bezieht auf beiden Seiten der mittleren Stufe Position – Nord und Süd – und wartet auf mein Kommando. Ich hoffe, dass es uns gelingt, ihre Streitkräfte zwischen der untersten und der mittleren Ebene aufzuspalten. Denn im Endeffekt haben wir nur ein Ziel, ein einziges
Ziel: die Witwe davon abzuhalten, den Sockel auf der dritten Ebene zu erreichen.« Jetzt wandte er sich an Prue. »Da wir uns aufteilen, ist unsere Kommunikation von höchster Bedeutung. Und da kommst du ins Spiel, Prue. Du musst Nachrichten zwischen den Einheiten übermitteln. Verstanden?«
    Prue nickte. Verzweifelt kämpfte sie die Angst nieder, die aus ihrem Bauch aufstieg. Sie fragte sich, ob ihre leichten Turnschuhe den Einsatz aushalten würden, und wünschte sich, sie hätte die robusten Laufschuhe angezogen, die grellen pinkfarbenen, die ihre Eltern ihr zum Geburtstag geschenkt hatten. Sie hatte sich immer geweigert, sie zu tragen, weil sie so hässlich waren. Dieser Gedanke kam ihr jetzt schrecklich albern vor.
    Brendan seufzte tief. »Wir haben ungefähr sechshundert Kämpfer. Gegen ihre eintausend. Das wird kein Spaß. Aber wenn wir diesen Sockel beschützen und die Witwe daran hindern können, das Ritual zu vollziehen, dann wird kein Leben umsonst gegeben.« In diesem Moment durchbrach die Sonne den Wolkenschleier, und Brendan sah trotzig in den Himmel.
    »Dann mal los«, sagte er.
    Mit einem jähen Satz sprang er auf das Säulenstück und machte die wartende Menge mit einem leisen Pfiff auf sich aufmerksam.
    »Männer«, begann er. »Frauen. Tiere. Ihr alle.«
    Die Bauern und Räuber murmelten

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