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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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vielleicht helfen.«
    Iphigenia schnaufte ärgerlich und stampfte mit dem Fuß auf. Dann stürmte sie vor, um sich das Dickicht anzusehen.
    »Die Pflanzen wachsen schon seit vielen, vielen Jahren an dieser Stelle – warum haben wir keinen anderen Weg genommen?«
    Brendan errötete. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie hier sein würden.« Er versuchte es mit sanfter Diplomatie bei der Ältesten
Mystikerin. »Zumindest nicht in dieser Dichte . Sonst hätte ich natürlich eine andere Route gewählt, aber jetzt haben wir keine Zeit mehr für einen Umweg.«
    »Was würdest du sagen, wenn dein eigenes Lager, dein Räuberversteck, umgesiedelt, zerrissen und verstreut würde, nur weil die … ach … vielleicht die Bäume darauf bestehen?«, fragte Iphigenia und machte eine Handbewegung in die Äste über ihnen.
    »Ich weiß gar nicht, was ich darauf antworten soll«, erwiderte Brendan.
    Iphigenia sah den König einen Moment lang zornig an, dann gab sie es auf. »Also gut. Ich werde die Brombeeren fragen, ob sie beiseitegehen.«
    »Wie bitte?«, fragte Brendan. »Ich bin nicht ganz sicher, ob ich das richtig verstanden habe. Hast du gesagt, du würdest die Sträucher fragen , ob sie Platz machen?«
    »Ja, du hast ganz richtig gehört, Räuberkönig.« Iphigenia raffte ihr Gewand, um sich im Schneidersitz auf den Waldboden zu setzen. »Aber ich mache keine Versprechungen. Wenn sie uns die Bitte abschlagen, kann ich nicht viel tun.« Sie beäugte das Gewirr von Dornenranken vor sich. »Brombeeren sind gerne mal störrisch.«
    Brendan fehlten die Worte. Er suchte in Sterlings Miene nach einer Erklärung, doch der Fuchs zuckte nur mit den Schultern. Unterdessen begann Iphigenia, zu meditieren. Curtis sah Prue fragend an.
    »Pass auf«, flüsterte Prue zuversichtlich.

    Eine weiche Brise strich durch das Erlenwäldchen und wehte das Mosaik des Herbstlaubs um die Knie der Ältesten Mystikerin. Durch eine Lücke in den Wolken fielen einige Strahlen goldenen Sonnenlichts, und Prue schloss die Augen, um die Wärme auf ihren Wangen zu genießen. Iphigenia atmete tief und laut, und die rhythmischen Atemzüge untermalten den Vormittag mit einer eigenartigen Melodie. Nachdem Brendan diese stille Meditation einige Minuten lang ertragen hatte, ohne irgendein Ergebnis zu sehen, fluchte er unterdrückt und wollte schon weggehen – da schnappten die Soldaten auf dem Hügelkamm hörbar nach Luft.
    Die Brombeeren bewegten sich.
    Erst ging alles ganz langsam: Ein paar wenige Ranken lösten sich aus dem Dornengewirr, als drängte sich eine unsichtbare Kraft durch das Gestrüpp; doch dann entwirrte es sich immer schneller, wie ein riesiger Krake, der seine Tentakel aufknotet. Wo die Ranken im Erdreich verwurzelt waren, schlängelten sich die Spitzen von oben nach unten auf den Boden, und der Strauch teilte sich, öffnete sich wie eine Distelblüte. Im Nu war ein breiter Durchgang durch das Dornengebüsch geschaffen.
    Iphigenias lauter Atem wurde weicher und verstummte. Sie schlug die Augen auf, betrachtete die Brombeeren und nickte zum wortlosen Dank. Dann erhob sie sich schwerfällig, schwankte zu Prue hinüber und hielt sich an ihrem Ellbogen fest. Brendan stand bleich am Rande des Gehölzes.

    »Also, Räuberkönig«, sagte die Älteste Mystikerin vorwurfsvoll. »Wenn wir solche Vertreibungen in Zukunft vermeiden könnten, wären der Wald und ich dir sehr verbunden.«

    Umgeben vom elfenbeinfarbenen Gestein der umgestürzten Säulen und Portale, lief die Armee still durch den Hain, jede ihrer Bewegungen schweigend beobachtet von der uralten Stadt. Alexandra ritt in der Mitte, umflossen von einem Meer an uniformierten Kojotenleibern, das sich über die Lichtung ergoss. Das Kind schlummerte jetzt an ihre Brust gekuschelt, das sanfte Schaukeln des Pferdes hatte es in den Schlaf gewiegt. Tiefgrün und dicht wuchs hier der Efeu und erstickte beinahe jedes andere Lebewesen; nur die Ruinen, die aus seinem Klammergriff herausragten, schienen sich der Vorherrschaft der Pflanze über den Hain der Ahnen zu widersetzen: hier eine breite Platte aus weißem, behauenem Stein – vielleicht das Fundament eines Marktplatzes; dort die schwankenden Überreste eines marmornen Torbogens zu einem allgemeinen Versammlungsraum. Auf einem flachen Wall oberhalb des Geländes waren die Trümmer eines langen Säulengangs zu erkennen. Welche Verschwendung, dachte Alexandra. So viel Wissen, verloren an die Ewigkeit.
    Ein Soldat unterbrach ihren Gedankengang. Es

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