WILDWORLD - Die Nacht der Wintersonnenwende: Band 1 (German Edition)
nicht genug Zeit, um noch mehr herzustellen.«
Endlich fand Janie das Rauchfass, ein schmuckvolles, an Ketten hängendes goldenes Gefäß, das an allen Seiten mit Löchern versehen war wie ein Tee-Ei. » Steckt noch mehr hinter dem Zauber als das, was sie zusammengemixt hat? Denn ich habe sie genau beobachtet und die Zutaten ebenso gesehen wie die Mengenverhältnisse. Und ich frage mich, was wohl geschehen würde, wenn man nur eine Prise Phoenixfedern hinzufügte …«
Kapitel 18 – DER GOLDENE STAB
Verzweifelt stolperten Alys und Charles hinter Thia, Cadal und ein paar weiteren Magyrn in den Westflügel. Niemand nahm Notiz von ihnen, bis auf einen Magyr, der Charles geringschätzig ansah und mit einer lässigen Geste zu Boden schleuderte.
» Jetzt bin ich aber sauer«, murrte Charles, während er sich wieder aufrappelte und das Blut von seiner Nase wischte. » Jetzt bin ich richtig sauer.«
» Wir dürfen ihnen Claudia nicht überlassen!«, keuchte Alys.
Genau in diesem Moment erreichten sie die Galerie im ersten Stock über der großen Halle,und Alys hielt erschrocken inne. Bis jetzt hatten sich in Cadals Gefolge etwa ein halbes Dutzend Magyr befunden. Aber in der Halle unter ihnen standen gut und gern drei Dutzend weitere und jeder Einzelne von ihnen hielt einen Stab in der Hand. Cadal Forges Verbündete hatten sich versammelt.
Eine Atmosphäre von gespannter Erwartung erfüllte den riesigen Raum, aber niemand wirkte in Eile. Die Magyr waren groß, mit stolzem Gesicht und elegantem Körperbau. Ihre Macht und das Wissen um ihre Macht zeigten sich in jeder ihrer Bewegungen. Sie trugen kostbare Roben in schillernden Farben: himmelblau und alraunengrün, purpur, taubengrau und rostrot. Aller Augen waren auf Cadal Forge gerichtet, der die Versammelten durch seine bloße Anwesenheit mühelos beherrschte.
Der Magyrmeister in seiner schlichten militärisch anmutenden Kleidung hatte sich neben dem Podest platziert, die Arme verschränkt, den Stab in einer Hand. Aber trotz seiner zur Schau gestellten Lässigkeit konnte Alys erkennen, dass er immer noch hoch konzentriert war.
Plötzlich schwoll das Gemurmel der Menge an, während der riesige Spiegel hinter dem Podest die Farbe wechselte. Im nächsten Moment stand Morgana dort, die leeren Hände fest ineinanderverschränkt.
Sie ließ den Blick über die eindrucksvolle Menge von Magyrn schweifen und auf Cadal Forge verweilen, der sich daraufhin kaum merklich verneigte, wie zu einem triumphierenden » Voilà«. Dann entdeckte sie Thia Pendriel, Mitglied des Rates und Morganas zweiter großer Feind. Mit ausdrucksloser Miene hielt sie Claudia in die Höhe. Morganas Augen verwandelten sich in schmale Schlitze und ihr Mund wurde zu einer grimmigen Linie. Sie wandte sich wieder zu Cadal Forge um und holte Luft, richtete das Wort jedoch überraschend an alle Versammelten im Raum.
» Mitglieder des Bundes für eine Neue Ordnung in einer Neuen Welt«, begann sie und hielt dann inne, bevor sie leise, doch mit gewichtigen Worten fortfuhr. » Ihr werdet benutzt. Dieser Mann hier« – sie deutete auf Cadal Forge, ohne ihn anzusehen – » hat Euch gesagt, dass er das Goldene Zeitalter der Wildworld wiederherstellen wolle, dass er eine Ordnung errichten wolle, in der ein jeder von Euch ohne die Einmischung des Rates würde herrschen können. Aber er hat gelogen. Ihm liegt nichts an einer solchen Ordnung. Er würde einen jeden von Euch ebenso gern tot sehen – ja, auch Euch, Aric Carpalith. Er will nichts anderes als den Tod der Menschen in der Stillworld. Er will das Blut seiner persönlichen Feinde fließen sehen, und wenn er das geschafft hat, glaubt mir, dann könnt Ihr Übrigen Euch aufhängen.«
Morgana war eine begabte Rednerin, und nachdem sie ihre fesselnde Ansprache beendet hatte, herrschte im Raum eine gewaltige Anspannung. Aber Cadal Forge stand immer noch so lässig da wie zuvor, und als die Blicke seiner Verbündeten sich jetzt auf ihn richteten, löste er die verschränkten Arme, machte eine kleine Geste und lächelte.
» Ich glaube, sie hat Euch gerade dazu eingeladen zu gehen«, sagte er trocken, und die Anspannung mündete in Gelächter. Aber der Magyrmeister hob die Hand und gebot Schweigen. » Nun, meine Freunde«, fuhr er fort, » so geht. Ja, geht – wenn Ihr nicht wollt, dass Euer Land unumstritten, unbesteuert und von der Gefahr eines Reichs des Chaos verschont bleiben soll. Geht, wenn es Euch gefällt, dass der Rat Euch für immer im Auge behält.
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