WILDWORLD - Die Nacht der Wintersonnenwende: Band 1 (German Edition)
drückte sich ängstlich an Charles.
» Alys …?«
» Ich bin nicht verrückt, Charles. Ich meine es ernst.«
Charles und Janie wechselten einen überraschten Blick.
» Hört zu!«, fuhr Alys fort. » Es ist das Einzige, was wir tun können, und das Einzige, was von Nutzen sein wird. Wenn wir das Haus, kurz bevor der Mond aufgeht, in Brand stecken, wird es dort von Polizisten und Feuerwehrmännern nur so wimmeln, wenn der Mond dann das erste Viertel seiner Bahn hinter sich hat und Cadal Forge durch einen der Spiegel kommt. Vielleicht können sie ja etwas gegen ihn und seine Verbündeten unternehmen. Und wenn nicht – na ja, ich frage mich, ob Magyr eigentlich selbst inmitten eines Feuers überleben können.«
Charles schauderte – vor Schreck und Faszination.
» Es … könnte … klappen«, sagte Janie zögernd.
Alle überlegten.
Alle sahen einander an.
Alle stießen laut den Atem aus und nickten langsam.
» Dafür kommen wir ins Kittchen«, flüsterte Charles.
» Ich weiß.«
» Und … wir könnten umkommen. Es ist nicht leicht, ein Feuer dieser Größe zu legen und zu fliehen.«
» Ich finde, wir sollten Claudia da auf jeden Fall raushalten«, sagte Janie.
» Wenn ihr dabei seid, bin ich auch dabei«, erwiderte Claudia, ohne mit der Wimper zu zucken.
» Also dann … Wir brauchen Benzin«, erklärte Alys. » Das zapfen wir den Autos ab, bevor wir heute Nacht losziehen. Und wir brauchen eine Zündschnur.«
Ein bitteres Lächeln umspielte Charles’ Lippen. » Die Polizei hat uns beschuldigt, mit Feuerwerkskörpern zu spielen. Jetzt kriegt sie ihre Feuerwerkskörper. Ich habe noch einige Tijuana speciales unter meinem Bett.«
» Sind das die, die einem die Hand abreißen?«
» Oh, Janie! Man wird uns für das, was wir vorhaben, wahrscheinlich den Kopf abreißen. Was spielt eine Hand mehr oder weniger da noch für eine Rolle?«
Es war Viertel vor elf und stockdunkel, als die Kinder auf dem Hügel neben Morganas Haus darauf warteten, dass der Mond aufging – ebenso wie in der Nacht, als sie das Amulett angefertigt hatten. Doch jetzt trugen alle ihr Amulett um den Hals.
Es war lächerlich einfach gewesen, aus ihren Fenstern zu klettern und das Haus zu verlassen, denn nachdem ihre Eltern sie den ganzen Tag über im Auge behalten hatten, waren sie vor Erschöpfung früh zu Bett gegangen.
Alys und Charles überlegten sehr genau, wo sie die Benzinkanister und Zünder platzieren sollten, und Claudia sah ihnen mit riesigen Augen zu. Janie beteiligte sich nicht an den Vorbereitungen. Sie saß nur da, das Kinn in die Hände gestützt, und starrte auf die fernen Hügel, über denen schon bald der Mond auftauchen würde. Doch hinter ihrer reglosen Miene ratterte ihr Gehirn wie ein Uhrwerk.
Janie fand die Idee, Fell Andred niederzubrennen, einfach abscheulich. Ganz und gar unelegant. Und so suchte sie hektisch und noch während ein silberner Nebelstreif den Mondaufgang ankündigte nach einer anderen Lösung.
Am elegantesten hätte sich Janies Meinung nach das Problem lösen lassen, wenn sie – wie zu Anfang geplant – weiter nach Morgana gesucht hätten. Sie dachte an ihre Lieblingsdetektive Sherlock Holmes und Hercule Poirot, denen es im Gegensatz zu ihr gelungen wäre, den Aufenthaltsort der Hexenmeisterin exakt herzuleiten, ohne auch nur ihren Sessel zu verlassen. Aber andererseits befanden sich deren Gehirne auch nicht im Halbschlaf.
Denn genauso fühlte Janie sich seit Wochen – wie im Halbschlaf, ohne den größeren Zusammenhang des Ganzen erkennen zu können. Was daran lag, dass sie zu Anfang furchtbare Angst vor Magie gehabt hatte, die sie nur aus Märchen kannte, in denen alles völlig willkürlich geschah, unkontrollierbar, unberechenbar.
Aber die Magie der Wildworld war anders. Sie gehorchte gewissen Regeln, selbst wenn diese Regeln seltsam und fantastisch anmuteten. Die Magie der Wildworld hatte eine eigene wunderbare Ordnung … Und Janie sollte in der Lage sein, sie zu durchschauen.
Während sie das weiße Scheibchen anstarrte, das über der Kuppe der Vorhügel erschien, presste sie die Fäuste an die Schläfen und versuchte nachzudenken.
So viele Dinge an Fell Andred hatten ihr zu schaffen gemacht, so viele kleine Dinge, die nicht zusammenzupassen schienen – und jetzt blieb kaum mehr Zeit, ihnen einen Sinn abzuringen. Gedankenfetzen rauschten durch ihr Gehirn. Die Nacht, als sie das Amulett angefertigt und herausgefunden hatten, dass man keinen Spiegel aus dem Haus entfernen
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