Wilhelm II
Antwort der Alliierten auf die Friedensnote veröffentlicht wurde, wurde Wilhelm wütend und erklärte, dass Deutschland bis zum Ende kämpfen, Belgien annektieren und Frankreich unterwerfen müsse.
In der fatalistischen, selbstgerechten Stimmung Ende Dezember 1916 war Wilhelm geneigt, die mit einem uneingeschränkten U-Bootkrieg verbundenen Hoffnungen und Risiken in Kauf zu nehmen. Immerhin war sein Rückhalt für Bethmann Hollwegs Anschauung stets ambivalent und an bestimmte Bedingungen geknüpft gewesen. Die U-Bootanhänger hatten ihrerseits seit 1915 ihre Aktivität gesteigert: Die U-Bootflotte war erweitert und verbessert worden, und die Enthusiasten konnten nunmehr ganze Stapel von Tabellen und Statistiken vorlegen, die bewiesen, dass schon ein fünfmonatiger rücksichtslos geführter U-Bootkrieg gegen den britischen Handel im Ärmelkanal und Atlantik (in der Nordsee war der U-Bootkrieg nie ausgesetzt worden) ausreichen würde, um Großbritannien aus dem Krieg zu verdrängen. Das Risiko eines amerikanischen Kriegseintritts sei irrelevant, behaupteten sie, weil deutsche U-Boote den transatlantischen Schiffverkehr bereits dezimiert hätten, bevor nennenswerte Zahlen von US-Truppen zur Einschiffung bereit stünden. Jedenfalls werde man problemlos Truppentransporte von den Vereinigten Staaten nach Europa stoppen können. Wilhelm machte sich diese
Argumente rasch zu eigen. Bei einer Sitzung am 9. Januar 1917, die von der Heeresleitung zur Diskussion über das Hauptquartier der Ostfront bei Pless einberufen worden war, wurde deutlich, dass sich der Kaiser bereits zugunsten der Militärs entschieden hatte. Bethmann Hollweg war mit Argumenten gekommen, die gegen einen neuen U-Bootfeldzug sprachen, sah sich aber isoliert und fügte sich am Ende der Mehrheit. Wilhelm ließ sich seine Ungeduld deutlich anmerken, während Bethmann Hollweg seine Einwände vorbrachte, und unterschrieb anschließend einen Befehl, dass der uneingeschränkte U-Bootkrieg vom 1. Februar an beginnen solle. Als diese Entscheidung von der deutschen Regierung offiziell bekannt gegeben wurde, hatte sie den fast sofortigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zur Folge, und im April erklärten diese dem Deutschen Reich den Krieg.
Bei der Sitzung in Pless hatte Wilhelm den Vorsitz über eine Entscheidung von welthistorischer Bedeutung. Sie stützte sich, wie Historiker nachgewiesen haben, auf eine krasse Fehleinschätzung der damit verbundenen Risiken und Vorteile. Obwohl die deutschen U-Boote in der Tat das veranschlagte Ziel von 600 000 Tonnen versenkter Schiffsraum im Monat erreichten und eine Zeitlang sogar übertrafen, war der Vorteil für Deutschland nur von kurzer Dauer. Das britische System für die Lebensmittelversorgung und Verteilung erwies sich als flexibler als erwartet, die Fähigkeit der amerikanischen Werften, die versenkte Tonnage zu ersetzen, war weitaus größer als die deutschen Strategen angenommen hatten, und die von den Alliierten entwickelten Abwehrmaßnahmen gegen U-Boote erwiesen sich als wirkungsvoller, als die Deutschen vorhersagen konnten. Die Verlustquote unter den deutschen U-Booten schnellte in die Höhe und überstieg die Verluste unter den alliierten Geleitzügen prozentual um das Siebenfache. 43
Freilich konnte man argumentieren, dass dem Deutschen Reich langfristig keine andere Wahl blieb, weil es in einem kontinentalen Zermürbungskrieg langfristig schlechte Aussichten
hatte. Aber war dem wirklich so? Es sind zumindest, vorsichtig ausgedrückt, einige Zweifel angebracht. Im Januar 1917 hatte Deutschland soeben Rumänien niedergerungen, und der Sieg in Russland war nicht mehr fern, auch wenn die Deutschen das nicht wissen konnten. Die Moral der französischen Truppen stand kurz vor dem Zusammenbruch, und Großbritannien wäre schon bald das Geld ausgegangen – tatsächlich war es einem finanziellen Kollaps viel näher als die Deutschen wussten. Im Herbst 1916 nahm der Zorn der Amerikaner über die britische Blockade gegen Deutschland zu, und die britisch-amerikanischen Beziehungen hatten einen Tiefpunkt erreicht. Ohne amerikanische Beteiligung und die zugehörigen, umfassenden Hilfslieferungen war es durchaus möglich, dass Großbritannien im Sommer oder Herbst 1917 einen Frieden angeboten hätte, ungefähr um die Zeit, als die Italienfront unter dem österreichisch-deutschen Druck allmählich zusammenbrach.
Mit anderen Worten: Wenn Deutschland nicht den uneingeschränkten U-Bootkrieg
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