Wilhelm II
Generalstabschef, mit Ludendorff als Generalquartiermeister. 27
Falkenhayn hatte Wilhelm zuvor gewarnt, dass er durch die Ernennung von Hindenburg und Ludendorff zur Obersten Heeresleitung
de facto seine Souveränität als Kaiser verlieren werde. 28 Als Lyncker, der als Chef des Militärkabinetts für Personalfragen verantwortlich war, vorschlug, die Kommandostruktur zu konzentrieren und in die Hände Hindenburgs zu legen, protestierte Wilhelm, dass dies »Abdankung für ihn [bedeute.] Hindenburg sei damit als Volkstribun an seine Stelle getreten.« 29 Es trifft gewiss zu, dass die beiden Generäle rasch den letzten Rest von Wilhelms Rolle als Oberbefehlshaber weiter einschränkten. Ein neuer Kriegsminister, Hermann von Stein, wurde nach seiner Gefügigkeit und politischen Loyalität zum Oberkommando ausgewählt. Die stellvertretenden, befehlshabenden Generäle, Offiziere mit umfassenden Verwaltungsvollmachten, die bislang direkt dem Kaiser unterstanden hatten, wurden nunmehr dem Kriegsminister unterstellt. Dennoch wäre es falsch, daraus den Schluss zu ziehen, dass Wilhelm nicht länger eine wichtige Rolle in der Exekutivstruktur insgesamt spielen konnte. Die Beförderung der östlichen Generäle hatte den Graben in der militärischen Kommandostruktur geschlossen, indem von oben eine einheitliche Leitung durchgesetzt wurde, aber es blieben wichtige Meinungsverschiedenheiten zwischen der zivilen und der militärischen Führung bestehen, welche die Vermittlung des Kaisers erforderten. Die wichtigste davon betraf den Einsatz von Unterseebooten gegen die feindliche Schifffahrt.
Die Entscheidung für den uneingeschränkten U-Bootkrieg
Für die deutsche politische und militärische Führung war der Einsatz von U-Booten das umstrittenste Thema des Krieges. Die Seekriegsleitung argumentierte, Unterseeboote könnten in der deutschen Kriegsstrategie eine entscheidende Rolle spielen, indem sie eine Gegenblockade gegen Großbritannien errichteten und die Briten dadurch zwangen, den Krieg zu beenden. Das bedeutete, U-Boote gegen Handelsschiffe der Kriegsgegner einzusetzen
und neutrale Handelsschiffe vor dem Einlaufen in eine »Kriegszone« zu warnen. Ein derartiger Einsatz von U-Booten war allerdings mit erheblichen Risiken verbunden. Im internationalen Recht war der Einsatz von U-Booten gegen Handelsschiffe nicht vorgesehen. Man orientierte sich an den feindlichen Kriegsschiffen, die nach dem Grundsatz »entern und durchsuchen« vorgehen sollten. Aber wenn neutrale Schiffe (auch jene neutraler Staaten) weiterhin die Kriegszone durchquerten, waren sie dann eine berechtigte Beute? Selbst wenn sie von Angriffen verschont werden sollten, waren Unfälle unvermeidlich, weil U-Bootkapitäne häufig nicht zwischen neutralen und feindlichen Schiffen unterscheiden konnten. Darüber hinaus mussten legitime Angriffsziele definiert und genau unterschieden werden. Galt die Freistellung von Passagierschiffen auch dann noch, wenn sie militärische Güter schmuggelten? Rechtfertigte die »ungesetzliche« Blockade Großbritanniens gegen die deutschen Häfen Vergeltungsmaßnahmen gegen die britische Schifffahrt? Und welchen Status hatte ein Schiff, das unter der Flagge einer kriegführenden Nation segelte, aber auch Passagiere eines neutralen Staates an Bord hatte?
Zu Beginn des Jahres 1915 hatte die Frage, wie U-Boote eingesetzt werden sollten, heftige Gräben unter den Entscheidungsträgern gerissen. Auf der einen Seite waren jene wie Bethmann Hollweg, die Kabinettschefs Müller und Valentini, und Treutler, der Verbindungsoffizier für auswärtige Angelegenheiten im kaiserlichen Hauptquartier, die der Meinung waren, dass die mit einem uneingeschränkten U-Bootfeldzug verbundenen Risiken wenigstens ebenso hoch waren wie die erhofften Gewinne. Ihre Argumentation stützte sich in erster Linie darauf, dass die Aussichten des deutschen Reiches auf einen Sieg oder auch nur einen vorteilhaften Frieden verpuffen würden, falls wahllose U-Bootangriffe den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten an der Seite der Alliierten bewirken würden. Dieser Gruppe standen die Falken der Marine und des Militärs um Staatssekretär Tirpitz und den Marinestabschef Bachmann gegenüber. Sie sahen
in dem größtmöglichen U-Booteinsatz das einzige Mittel, sich gegen die britische »Hungerblockade« zu wehren. 30
Wilhelm stand dem Einsatz von U-Booten ambivalent gegenüber. Anfangs befürwortete er die gemäßigte Anschauung, vor allem weil er die Konsequenzen eines
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