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Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Titel: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Clark
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Krieg verwickeln wollte, dennoch einige der Entscheidungen traf, die ihn herbeiführten. Aber fairerweise sollte man darauf hinweisen, dass man von seinen beiden Kollegen, Kaiser Franz Joseph und Zar Nikolaus II., das gleiche sagen kann. Alexander Margutti, der Adjutant von Franz Joseph, berichtete, dass der österreichische Kaiser das Ultimatum an Serbien als diplomatischen Bluff angesehen hatte und tief erschüttert war, als ihm klar wurde, dass die serbische Antwort inakzeptabel war. 108 Zar Nikolaus II. wollte ebenfalls die Notwendigkeit militärischer Maßnahmen nicht einsehen und widerrief – in einem Schritt, der Wilhelms Bemühungen glich, in letzter Minute einen kontinentalen Krieg zu verhindern – am 29. Juli tatsächlich einen Befehl zur Generalmobilmachung, nachdem er von seinem deutschen Vetter eine in seinen Augen versöhnliche Botschaft erhalten hatte. In einer längeren Diskussion mit Außenminister Sasonow am 30. Juli legte der Zar einen »extremen Abscheu« gegen einen Krieg an den Tag und konnte nur mit größter Mühe von der Notwendigkeit einer sofortigen, allgemeinen Mobilmachung überzeugt werden. 109 Andererseits repräsentierten beide Souveräne – zumindest im konstitutionellen Sinn – die »letzte Entscheidungsinstanz« innerhalb ihrer jeweiligen politischen Systeme, und beide waren maßgeblich und wissentlich an den Entscheidungen beteiligt, die einen Krieg unvermeidlich machten. Es war Franz Joseph, der mit seinem eindringlichen, persönlichen Appell an Wilhelm das deutsche Beistandsversprechen für eine Militäraktion gegen Serbien erreichte, und er billigte auch Berchtolds Ultimatum, obwohl er der Meinung war, dass ein solcher Schritt eine Ausweitung des Konfliktes provozieren könnte: Er wisse wohl, dass Russland eine solche Note nicht hinnehmen könne, teilte Franz Joseph dem Finanzminister Leo von Bilinski am 20. Juli mit, als dieser ihn warnte, dass ein Krieg wahrscheinlich sei. 110 Nikolaus II. hatte eine härtere russische Linie bezüglich der Slawen auf dem Balkan seit Anfang 1914 rückhaltlos gebilligt; er war sich auch voll darüber im Klaren, dass durch die russische Generalmobilmachung am 30. Juli – die erste unter den Großmächten – der Krieg unvermeidlich geworden war und dass »nichts anderes bleibe, als ihn mit der größtmöglichen Aussicht auf Erfolg zu führen«. 111 Beide Souveräne waren entschlossen, keine Zugeständnisse zu machen, die dem Ansehen und dem »Großmachtstatus« ihrer jeweiligen Staaten schaden würden.
    In allen drei Fällen zählten hohe Militärs gute Gründe für die Siegeszuversicht auf, falls es zu einem Konflikt kommen sollte, und forderten nachdrücklich eine Politik, die auf eine Konfrontation angelegt war. Der Chef des deutschen Generalstabs Helmuth von Moltke, genau wie sein russischer und österreichischer Widerpart, Wladimir Suchomlinow und Franz Conrad von Hötzendorf, trieb seinen Souverän in entscheidenden Augenblicken während der Julikrise in diese Richtung. Aber zu keinem Zeitpunkt gaben die deutsche zivile Führung oder das Staatsoberhaupt die Entscheidungsgewalt an das Militär ab. 112 Es stimmt, dass Moltke imstande war, am 30 Juli einen eigenständigen Vorstoß zu machen, als er den Österreichern die nicht autorisierte Ermahnung zukommen ließ, gegen Russland mobil zu machen, und versprach, dass Deutschland dasselbe tun werde. Diese verfassungswidrige Intervention wird gelegentlich als Beweis dafür genannt, dass die zivile Exekutive entmachtet war und die militärische Führung die Entscheidungsgewalt usurpiert hatte. Doch diese Argumentation stößt schon bald an ihre Grenzen: Moltkes Vorschlag wurde von den Österreichern nicht aufgegriffen, die ihre Militärstrategie weiterhin auf den engeren Schauplatz auf dem Balkan begrenzten, weil sie sich nicht unnötig die Russen zum Feind machen wollten. Darüber hinaus gelangte ein Historiker nach einem Vergleich der Diplomatie der Großmächte während der Krise zu der Schlussfolgerung, dass »Zwangsdiplomatie und militärische Vorkehrungen« in Russland, Österreich-Ungarn und sogar in Frankreich und Großbritannien das Krisenmanagement im Juli 1914 stärker als in Deutschland prägten. 113
    Tatsächlich könnte man einwenden, dass der Souverän gerade wegen des Fehlens einer koordinierten Entscheidungsstruktur an der Spitze des deutschen Reiches über Möglichkeiten verfügte – Möglichkeiten, die seine Mitmonarchen nicht hatten – sich für die zivile Regierung und

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