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Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition)

Titel: Wilhelm II.: Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Clark
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bestehen, dass vor allem das neuerschaffene Deutsche Reich von allen Seiten das absoluteste Vertrauen als eines ruhigen, friedlichen Nachbarn genießen soll, und dass, wenn man dereinst vielleicht von einem deutschen Weltreich oder einer Hohenzollern-Weltherrschaft in der Geschichte reden sollte, sie nicht auf Politik begründet sein soll durch das Schwert, sondern durch gegenseitiges Vertrauen der nach gleichen Zielen strebenden Nationen. 68
     
    Selbst nach dem Zwischenhalt in Lissabon, als sein Schiff bereits in Richtung Nordafrika dampfte, schwankte Wilhelm noch, ob er tatsächlich in Tanger an Land gehen solle. Einmal mehr gelang es Bülow durch seine geschickte Lenkung des Kaisers, das Problem zu klären. In mehreren Telegrammen, die er Wilhelm aufs Schiff sandte, malte der Kanzler die Folgen eines offiziellen Besuchs in den schönsten Farben. Dennoch beschloss Wilhelm erst in dem Moment, als das Schiff tatsächlich im Hafen vor Anker gegangen war, dem Sultan von Marokko einen offiziellen Besuch abzustatten. 69
    Kurzfristig war der Besuch augenscheinlich ein großer Erfolg. Er löste in London und Paris empörte Aufschreie aus, aber die Briten zeigten kein Interesse zu intervenieren und die französische Regierung bemühte sich um eine friedliche Lösung. Der französische Außenminister Théophile Delcassé wurde entlassen; sein Ressort wurde von dem neuen und unerfahrenen, französischen Regierungschef Maurice Rouvier übernommen, der bilaterale Verhandlungen über die Zukunft Marokkos in den Raum stellte. Aber Bülow gab sich damit nicht zufrieden, lehnte Rouviers Vorschlag ab und bestand stattdessen darauf, dass der Streit gemäß den Bestimmungen des Vertrags von 1881 auf einer internationalen Konferenz beigelegt werde. Dieser Forderung wurde am Ende nachgegeben. Für das deutsche Auswärtige Amt war das, in den Augen des amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt, »ein diplomatischer Triumph erster Klasse«. 70 Zugleich stand Bülow nun, wie gezeigt, auf dem Zenit seiner politischen Karriere. Doch der Triumph erwies sich als kurzlebig: Auf der Konferenz, die im Januar 1906 in der spanischen Hafenstadt Algeciras zusammenkam, wurde der quasi-unabhängige Status von Marokko zwar bestätigt, aber den Deutschen gelang es nicht, Unterstützung für ihre weiteren Vorschläge zu gewinnen (abgesehen von Österreich-Ungarn). Am 5. April 1906 wurde Bülow im Reichstag ganz bleich und brach plötzlich zusammen, unmittelbar nachdem er eine kurze Rede zu dem Ergebnis von Algeciras gehalten hatte. Er musste sich bis zum Oktober von den Folgen des Zusammenbruchs erholen. 71
    Die Bemühungen der Regierung Bülow, östliche und westliche »Optionen« auszuloten, um die Isolation des Reichs zu überwinden, waren gescheitert. Der deutsche Vorstoß wegen Marokko hatte die Entente eher gestärkt als geschwächt. Außerdem wurde die militärische Dimension der Entente stärker ins Blickfeld gerückt. Eine unerwünschte Konsequenz des deutschen Drucks auf Frankreich im Jahr 1905 war, wie Paul Kennedy nachweist, eine Verfestigung der britischen, militärischen Verpflichtungen gegenüber Frankreich: Britische Strategen fassten für den Fall eines deutschen Angriffs nunmehr die Verschiffung britischer Soldaten nach Frankreich ins Auge. Die britisch-französisch-belgischen Generalstabsgespräche von 1905 waren ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Front im Westen sich verhärtet hatte. 72 Was die östliche Option betraf, so wurde ihre Plausibilität im Sommer 1907 massiv untergraben, als Großbritannien und Russland ein Abkommen unterzeichneten, mit dem sie ihre Streitigkeiten wegen Persien, Afghanistan und Tibet beilegten. Eine entscheidende Voraussetzung für die Handlungsfreiheit Deutschlands auf dem Kontinent war somit aufgehoben.

Isolation (1911)
     
    Im Frühjahr 1911 wurde Marokko erneut zum Brennpunkt einer internationalen Krise. Im April des Jahres besetzten die Franzosen die Hauptstadt Fez unter einem fadenscheinigen Vorwand und erneuerten ihre Anstrengungen, aus Marokko ein französisches Protektorat zu machen. Der neue Staatssekretär für auswärtige Beziehungen Alfred von Kiderlen-Wächter wollte dieses Manöver auf keinen Fall hinnehmen und plante eine aggressive deutsche Machtdemonstration. Deutsche Kanonenboote sollten mit dem erklärten Ziel, deutsche Geschäftsinteressen zu schützen, in die Hafenstadt Agadir im Westen Marokkos entsandt werden. Das Manöver sollte Frankreich unter Druck setzen, entweder

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