Will & Will
ich versuche es auf der anderen straßenseite. ich überprüfe die adresse noch mal und noch mal und noch mal.
und da stehe ich nun also. vor der tür.
mir fällt ein, dass ein freund von isaac diesen treffpunkt vorgeschlagen hat. zumindest hat isaac das gesagt. wenn das stimmt, ist das ganze ja vielleicht nur ein blöder scherz, und der arme isaac ist vielleicht schon vor mir gekommen und ihn
hat genauso der schlag getroffen wie mich und jetzt wartet er drinnen. oder vielleicht ist das irgend so eine art kosmische prüfung. ich muss den fluss der unsicherheit und befangenheit durchqueren, um in das paradies auf der anderen seite zu gelangen.
verdammt. auch egal, denke ich.
um mich herum bläst kalter wind und ich gehe hinein.
Siebtes Kapitel
Ich höre das elektronische Klingeling , drehe mich um und sehe, wie ein Junge hereinkommt. Einen Ausweis muss er selbstverständlich nicht vorzeigen, und er ist zwar schon ganz klar in der haarigen Phase der Pubertät angekommen, aber achtzehn ist er niemals. Schmächtig und mit weit aufgerissenen Augen und flachsköpfig und total eingeschüchtert – genauso verschreckt, wie ich es wahrscheinlich gewesen wäre, hätte mich nicht die allgemeine Verschwörung, bestehend aus a) Jane und b) Tiny und c) Señor Multipiercing hinter der Theke und d) dem hoffnungslos bekifften MisterCopyShop sowieso schon an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht.
Egal, der Junge starrt mich jedenfalls mit einer Intensität an, die ich sehr verstörend finde, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass ich ein Exemplar von Mano a Mano in der Hand halte. Ich bin mir sicher, dass es viele ganz fantastische Möglichkeiten gibt, einem fremden Minderjährigen, der vor einer Regalwand mit bombastischen Dildos steht, klarzumachen, dass man kein Fan von Mano a Mano ist, aber die Strategie, die ich wähle, besteht nur darin, »Ähm … das ist für einen Freund« zu murmeln. Was der Wahrheit entspricht, doch a) ist das keine besonders überzeugende Entschuldigung, und b) impliziert es, dass ich der Typ Junge bin, der mit dem Typ Jungen befreundet ist, der Mano a Mano gut findet, und weiterhin impliziert es, dass ich c) der Typ Junge bin, der für seine Freunde Pornohefte kauft. Gleich nachdem ich
gesagt habe »Das ist für einen Freund«, fällt mir ein, dass ich besser »Ich will Spanisch lernen« gesagt hätte.
Der Junge starrt mich weiter an und nach einer Weile verengen sich seine Augen und er blinzelt. Ich halte das ein paar Sekunden aus, dann schaue ich weg. Endlich geht er an mir vorbei und verschwindet zwischen den Regalen mit den Videos. Ich habe den Eindruck, dass er nach etwas ganz Bestimmtem sucht und dieses ganz Bestimmte nichts mit Sex zu tun hat, weshalb er es hier vermutlich nicht finden wird. Er geht zum hinteren Teil des Ladens, wo eine Tür offen steht, von der ich vermute, dass sie irgendwas mit dem »Spielzeug« zu tun haben könnte. Alles, was ich jetzt will, ist, mit meinem Mano a Mano hier rauszukommen, deshalb gehe ich zu dem Typen an der Theke und sage: »Nur das hier, bitte.«
Er tippt den Preis in die Registrierkasse ein. »Neun dreiundachtzig«, sagt er.
»Neun DOLLAR?«, frage ich ungläubig.
»Und dreiundachtzig Cent«, fügt er hinzu.
Ich schüttle den Kopf. Das entwickelt sich zu einem ziemlich teuren Spaß, aber auf gar keinen Fall werde ich noch mal zu dem schauderhaften Regal zurückgehen und nach einem Sonderangebot suchen. Ich fingere in meinen Hosentaschen herum und fördere an die vier Dollar zutage, seufze und greife dann in meine hintere Hosentasche und reiche dem Typ meine Kreditkarte. Meine Eltern sehen sich immer die Kontoauszüge an, aber die werden Frenchy’s bestimmt nicht von Denny’s unterscheiden können.
Der Typ guckt sich die Karte an. Dann guckt er mich an. Er guckt sich die Karte an. Er guckt mich an. Und kurz bevor er den Mund aufmacht, fällt mir selbst ein: Auf meiner Kreditkarte
steht William Grayson. Auf meinem Ausweis steht Ishmael J. Biafra.
Ziemlich laut sagt der Typ: »William. Grayson. William. Grayson. Wo habe ich diesen Namen schon mal gelesen? Stimmt. NICHT auf deinem Führerschein.«
Ich denke einen Augenblick nach, was für Möglichkeiten ich jetzt habe, und dann sage ich ruhig: »Das ist meine Kreditkarte. Die PIN-Nummer weiß nur ich. Kann ich bitte bezahlen?«
Er zieht die Karte durch den Schlitz und sagt: »Weißt du was, Junge? Das ist mir so was von scheißegal. Kohle ist Kohle.« Und in diesem Augenblick
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