Will & Will
auf den kopf scheißt. und die leute glauben auch tatsächlich daran! ich möchte sie dann am liebsten packen und brüllen: ›hey, mann, merkst du nicht, dass dieser ganze aberglauben nur deswegen erfunden worden ist, weil niemand was besseres einfällt, denn was soll man schon gutes zu jemand sagen, dem gerade auf den kopf geschissen worden ist?‹ und so was machen die leute die ganze zeit – und nicht nur, wenn es um nebensächliche dinge wie vogelscheiße geht. du hast deinen job verloren? großartige chance! im leben total versagt? da gibt es nur einen weg – aufwärts! von einem freund übel sitzen gelassen worden, den es nie gegeben hat? ich weiß, dass das beschissen ist, aber andererseits ist es auch gut!
ich will d.a.w.g. bereits das recht verweigern, auch ein will grayson zu sein. aber da redet er schon weiter.
d.a.w.g.: dass liebe und wahrheit immer nah beieinander sind, meine ich. das eine macht das andere möglich, findest du nicht?
ich weiß nicht, was mich stärker berührt – dass irgend so ein fremder mir tatsächlich zugehört hat, oder dass er, rein formal, damit absolut richtig liegt.
d.a.w.g. macht sich auf und davon und lässt mich mit meinem neuen kühlschrankgroßen freund allein, der mich mit so aufrichtiger anteilnahme anschaut, dass ich ihn am liebsten ohrfeigen möchte.
ich: du musst nicht bleiben. wirklich nicht.
tiny: wie? und dich hier allein trübsal blasen lassen?
ich: mit trübsal blasen hat das nichts mehr zu tun. es handelt sich um abgrundtiefe schwarze verzweiflung.
tiny: ojeeee .
und dann umarmt er mich. man muss sich das vorstellen, als würde man von einem sofa umarmt werden. ungefähr so hat sich das angefühlt.
ich (halb erstickt): du erdrückst mich.
tiny (tätschelt mir den kopf): schon gut, schon gut.
ich: alter, das mag ich nicht.
ich stoße ihn weg. er wirkt verletzt.
tiny: du hast alter zu mir gesagt!
ich: tut mir leid. ich … ich bin einfach –
tiny: ich will dir nur helfen!
genau deshalb sollte ich immer eine extra-ration pillen dabeihaben. wir könnten jetzt wahrscheinlich beide eine doppelte dosis gebrauchen.
ich (noch einmal): tut mir leid.
da schaut er mich an. und es ist merkwürdig, weil er mich nämlich wirklich anschaut. ich fühle mich dabei total unwohl.
ich: was denn?
tiny: hast du lust, dir ein lied aus tiny dancer : die tiny cooper story anzuhören?
ich: wie bitte?
tiny: das ist ein musical, an dem ich gerade arbeite. die geschichte beruht auf meinem leben. ich glaube, eines der lieder könnte dir jetzt vielleicht helfen.
wir stehen an einer straßenecke vor einem sexshop. leute gehen vorbei. chicagoer – man kann kaum weniger musikalisch als ein chicagoer sein. ich bin in einer völlig demolierten verfassung. meine seele erleidet gerade einen schlaganfall. dass die fette lady jetzt zu singen anfängt, kann ich wirklich überhaupt nicht gebrauchen. das wäre das letzte. aber protestiere ich dagegen? beschließe ich, den rest meines lebens im tunnelsystem der untergrundbahn zu verbringen und
mich dort von ratten zu ernähren? nein. ich nicke nur stumm, weil er so dringend das lied singen möchte, dass ich mich wie ein absoluter doofmann fühlen würde, wenn ich jetzt nein sage.
tiny senkt den kopf und summt sich ein. als er den ton gefunden hat, schließt er die augen, breitet die arme aus. und singt:
ich habe einen traum und träume, sagt man, werden wahr –
aber nicht mit dir, aber nicht mit dir
ich lebe mein leben neu wie am ersten tag –
aber nicht mit dir, aber nicht mit dir
ich spüre wieder, wie schön die welt sein kann –
aber nicht mit dir, mann, nicht mit dir
du hast mir das herz gebrochen
ich bin auf allen vieren gekrochen
schwer drücken meine knochen und ängste mich
aber den glauben an die liebe nimmst du mir nicht!
du hast mich aus der bahn geworfen
doch nicht für lange zeit
ich sattle wieder auf
und bin zur liebe neu bereit!
aber nicht mit dir, mann, nicht mit dir
das schwör ich dir und mir
das leben muss doch mehr zu bieten haben
als so einen hohlkopf wie dich
drum pack ich mich am schopf
und zieh mich aus dem graben
es gibt bess’re jungs als dich
um sein herz zu verlieren
du bist es nicht, du wirst es niemals sein
das schwör ich dir und mir
tiny singt diese verse nicht – er schmettert sie. wie eine parade, die aus seinem mund herausmarschiert. ich zweifle keine sekunde daran, dass
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